Die Dornenvögel
und die gestrickten Babysachen, die bestickten Tischtücher, die Katzen und die Hunde und die Kanarienvögel.
Ganz auf der anderen Seite des Geländes befand sich der Reitring, wo junge Reiter und Reiterinnen auf stutzschwänzigen Rössern ihr Können zu beweisen suchten: vor einer Jury, deren Mitglieder, wie es der leise kichernden Meggie vorkam, selbst etwas von Pferden an sich hatten. Besonders erstaunlich schien, was Ladies in wunderschönen Reitkostümen und mit zylinderartigen Hüten an reiterlichen Künsten vorführten. Seitlich saßen sie auf dem Pferd, im sogenannten Damensitz, und es schien Meggie, daß sie schon bei leichtem Trab, geschweige denn beim Galopp zu Boden purzeln mußten, bis sie dann beobachten konnte, wie eines dieser so erhaben wirkenden Geschöpfe mit ihrem Tier mehrere schwierige Hindernisse nahm und am Ende noch genauso souverän im Sattel saß wie zu Anfang. Sodann gab die Lady dem Pferd ungeduldig die Sporen, galoppierte in mittlerem Tempo über den morastigen Boden und brachte das Tier unmittelbar vor Meggie, Frank und Pater Ralph zum Halten. Ein Fuß in blankgeputztem, schwarzem Stiefel streckte sich vor, eine behandschuhte Hand reckte sich gebieterisch herab. »Pater! Seien Sie doch so freundlich, mir beim Absitzen zu helfen!« Er tat es. Seine Hände faßten sie um die Taille, ihre Hände stützten sich auf seine Schultern. Mühelos hob er sie herab, ließ sie sofort wieder los, kaum daß ihre Füße den Boden berührten. Dann griff er nach den Zügeln des Pferdes und schritt neben der jungen Dame her. »Werden Sie das Jagdspringen gewinnen, Miß Carmichael?« fragte er in einem Ton, der seine völlige Gleichgültigkeit verriet. Sie wirkte gekränkt. Sie war jung und sehr schön, und seine so desinteressiert klingende Frage hatte für sie etwas Beleidigendes. »Ich hoffe zu gewinnen, bin mir meiner Sache jedoch nicht ganz sicher. Auch Miß Hopeton und Mrs. Anthony King beteiligen sich ja an der Konkurrenz. Sollte ich nicht gewinnen, werde ich mich dafür in der Dressur schadlos halten. Da komme ich bestimmt auf den ersten Platz.«
Sie sprach mit wunderschön vollen Vokalen und jener recht gestelzten Ausdrucksweise, die für wohlerzogene junge Damen so charakteristisch war. Doch von individueller Eigenart oder gar von Wärme fand sich in ihrer Stimme kaum noch eine Spur. Pater Ralph schien sich dem gleichsam automatisch anzupassen. Die sonst bei ihm gewohnte mundartliche Färbung, der liebenswürdige, leicht irische Tonfall verlor sich aus seiner Stimme. Seine Sprache wurde fast ebenso makellos
- und ebenso steril - wie die der jungen Dame. Im einzelnen begriff Meggie zwar ganz und gar nicht, was da vor sich ging, sie verstand auch kaum etwas von den Wörtern und Sätzen. Doch sehr genau wußte sie, daß Pater Ralph jetzt anders sprach als sonst und daß ihr seine augenblickliche Sprech- und Redeweise wenig gefiel.
Noch immer hielt der Priester sie an der einen und Frank sie an der anderen Hand. Doch da es immer schwieriger wurde, auf gleicher Höhe zu gehen, ließ sie die Hand ihres Bruders jetzt los, während Pater Ralph ihre Hand weiter in der seinen hielt. Als sie zu der großen Pfütze kamen, war Frank bereits ein Stück hinter die anderen zurückgefallen. Es war eine wahrhaft riesige Lache, fast schon ein kleiner, flacher Teich. Pater Ralph ließ seinen Blick über das Wasser gleiten, dann wandte er seine Augen Meggie zu. Und als er sich zu ihr hinabbeugte und zu sprechen begann, konnte es für die junge Dame im Reitkostüm, mit der er nur Floskeln gewechselt hatte, gar keinen Zweifel geben, daß aus seiner Stimme jetzt eine besondere Zärtlichkeit klang.
»Einen Mantel oder einen Umhang trage ich nicht, Meggielein, also kann ich auch nicht dein Sir Walter Raleigh sein. Sie werden gewiß entschuldigen, meine liebe Miß Carmichael« - ohne weitere Umstände drückte er der jungen Dame die Zügel in die Hand -, »aber ich kann natürlich nicht zulassen, daß mein Lieblingsmädchen ihre Schuhe voll Schlamm hat, nicht wahr?«
Er hob Meggie hoch und trug sie, ihren Körper mit einer Hand haltend und gegen seine Hüfte stützend, zur anderen Seite hinüber, während er Miß Carmichael sich selber überließ: In der einen Hand hielt sie die Zügel, mit der anderen raffte sie ihren langen Reitrock hoch - und hatte dann das fragliche Vergnügen, ohne jedwede Hilfe durch das aufspritzende Wasser hinüberzustampfen. Frank, jetzt fast hinter ihr, fand den Anblick so komisch, daß er
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