Die Drachen Der Tinkerfarm

Titel: Die Drachen Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Beale , Tad Williams

Vom Netzwerk:

und genausosahen sie auch aus. Überraschend an ihnen war nur, dass sie aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts kamen, denn Tyler hätte ohne weiteres geglaubt, dass sie vor zweitausend Jahren und mehr geboren worden waren. Seit der Zeit hatte sich in der Mongolei anscheinend nicht viel verändert.
    Der Einzige, über den Ragnar nicht bereitwillig Auskunft gab, war Caesar, aber nicht wegen des Alten selbst.
    »Jemand ist mit ihm gekommen«, hatte Ragnar nur gesagt. »Ein ganz übler Kerl namens Kingaree. Ich bin vielen furchterregenden Männern und Bestien begegnet, aber bei keinem war mir derart unbehaglich zumute wie bei ihm. Er hat als einziger von uns allen die Farm verlassen, und wenn wir ihn niemals wiedersehen, werde ich ihm nicht nachtrauern.« Wenn der knapp zwei Meter große Wikinger einen Horror vor jemandem hatte, dann war auch Tyler nicht versessen darauf, den Mann kennenzulernen.
    Sarah kam aus dem mittelalterlichen Deutschland, Azinza war eine verstoßene Prinzessin aus Westafrika, Pema stammte aus dem alten Tibet. Caesar und der mysteriöse Kingaree waren beide aus den amerikanischen Südstaaten vor dem Bürgerkrieg gekommen. Anscheinend hatte jeder auf dieser Farm eine außergewöhnliche Geschichte, und dabei war Simos Walkwell noch gar nicht berücksichtigt, ein Wesen, das so ausgefallen war wie die Einhörner und Drachen, um die es sich kümmerte. Schade, dass sie das erst so kurz vor ihrer Abreise herausgefunden hatten.
    Und wenn sie nun nicht wieder eingeladen wurden? Auch wenn Gideon nicht alles wusste, was sie angestellt hatten, schien er über ihre Anwesenheit nicht gerade begeistert zu sein. Tyler versuchte gar nicht daran zu denken, was Colin über die Fähigkeit seiner Mutter gesagt hatte, ihr Gedächtnis zu beeinflussen.
    Er beobachtete seinen Großonkel, der heute ausnahmsweise einmal zu Tisch erschienen war. Der alte Mann unterhielt sich angeregt mit Walkwell und brachte es dennoch fertig, eine ordentliche Portion des Makkaroniauflaufs zu vertilgen, was vielleicht ein gutes Zeichen war. Nach den Fetzen, die Tyler aufschnappte, sprach Walkwell von dem Eindringling, den er gefasst hatte, und Gideon ließ sich davon aufmuntern, wenigstens vorübergehend, und wirkte entschlossener als sonst.
    Wenn ich ihm sage, dass ich eventuell Grace entdeckt habe, muss er uns wieder herholen, oder? Und wenn ich ihm sage, dass ich aus eigener Kraft aus der Verwerfungsspalte herausgefunden habe, wird er unbedingt meine Hilfe haben wollen.
    Tyler setzte schon an, etwas zu sagen, doch da überlief ihn ein Schauer, und als er sich umdrehte, erhaschte er eben noch einen Blick aus Mrs. Needles dunklen, kalten Augen, ehe sie wegschaute.
    Vielleicht sollte er sich einmal im Leben ein bisschen bezähmen, beschloss Tyler. Auf Nummer sicher gehen. Denn allmählich dämmerte ihm, dass es hier um mehr ging als bloß um einen alten Mann, der sich aus Sammelwut abartige Tiere aus einem Loch in der Zeit holte.

    Tyler wusste, dass er schlafen sollte – auch wenn morgen ihr letzter Tag auf der Farm war, mussten sie doch zur selben unmenschlich frühen Zeit aufstehen wie immer –, aber er fand keine Ruhe. Er saß im Bett, und wieder und wieder flatterten ihm dieselben Fragen im Kopf herum wie Vögel in einem zu kleinen Käfig.
    War der Geist im Spiegel wirklich Grace, Gideons verschollene Frau? Wie ernst war die Gefahr, die Gideon und derFarm von diesem Stillman drohte, von dem Ragnar ihnen erzählt hatte? Konnten Drachen wirklich sprechen, und konnte seine Schwester sie verstehen? Und, vielleicht das größte Rätsel von allen, war er tatsächlich in eine Art Zeitloch gefallen und von selbst wieder herausgekommen? Konnte er das noch einmal schaffen? Alle sagten, dass man sich nur mit dem Kontinuaskop in der Verwerfungsspalte bewegen konnte. War er, Tyler Jenkins, etwas Besonderes, oder hatte er nur unglaubliches Glück gehabt?
    Er nahm aus dem Augenwinkel ein Flattern wahr, und als er aufschaute, sah er Zaza mit weit aufgerissenen Augen am Fenster kleben. Tyler sprang aus dem Bett und schob das Fenster auf, aber sie hüpfte nur aufgeregt draußen herum, warf sich rückwärts in die Luft und kam wieder zurückgeschossen.
    »Was ist los, Zaza?«, fragte er leise für den Fall, dass das Schwarzhörnchen wieder auf Beobachtungsposten war.
    Sie kletterte auf seine Schulter und schnatterte schwanzwedelnd auf ihn ein. Ihr Schwanz war ganz aufgeplustert, als ob sie sich über irgendetwas erschrocken hätte. Tyler