Die Drachen Der Tinkerfarm
Needle. Sie hat mir gesagt, ich soll ihr Haare von deiner Bürste bringen. Gerade ist es mir wieder eingefallen.« Sie fasste sich an den Kopf. »Es kommt mir vor wie ein Traum, aber ich bin mir sicher, so war es.«
»Was redest du da? Haare?«
Sie erzählte ihm eine verworrene Geschichte, wie sie bei Mrs. Needle Tee getrunken und ihren Zaubertricks zugeschaut hatte. »Ich weiß nicht mehr, wann das war. Aber das ist doch wie Voodoo, nicht wahr? Sie nehmen deine Haare und machen eine Puppe oder so was. Oh, Tyler, es tut mir so leid! Sie hat mich reingelegt!«
Er musste an das fiese, zischende, gelbäugige Scheusal denken, das ihn gejagt hatte, und wollte schon böse auf sie werden. Das war Lucindas großes Problem: Sie wollte auch dann noch so tun, als ob alles gut wäre, wenn es das offensichtlich nicht war. Nicht doch, Mrs. Needle war supernett! Dann sah Tyler die Scham im Gesicht seiner Schwester, ihre feuchten Augen.
»Schon gut, Luce. Sie hat dich drangekriegt. Ich wäre auch drauf reingefallen. Wahrscheinlich hat sie dir irgendwas in den Tee getan.«
Sie wischte sich mit einer zornigen Bewegung die Tränen aus den Augen. »Ich hasse sie! Wie kann jemand so gemein sein?«
»Na, sag mal, sie ist schließlich eine Hexe.« Es war scherzhaft gemeint, doch als er es aussprach, ging ihm wieder der Ernst der Lage auf. Ihre Feinde waren keine Schlägertypen aus der Schule und kein lästiger Aufsichtslehrer, der aufpasste, dass sie bei Tisch nicht zu laut krakeelten. Nein, einer davon war eine richtige Hexe, die zaubern konnte. Ein anderer war ein schwerreicher Typ, der sich die Farm unter den Nagel reißen wollte und Verbrecher und Spione beschäftigte, die zwei neugierige Kinder wahrscheinlich einfach abservieren würden, wenn sie ihnen in die Quere kamen. Tyler wurde auf einmal ein bisschen weich in den Knien. »Komm«, sagte er zu Lucinda. »Wir holen das Zeug und schieben es hier rein.«
Sie hatten gerade das Tagebuch und die anderen Aufzeichnungen aufgesammelt, als etwas hinter dem Vorhang ans Fenster knallte und sie zusammenfuhren. »Schon gut«, sagte Tyler. »Es ist Zaza.« Er hob den Vorhang hoch, und mit einem Kontrollblick nach dem Schwarzhörnchen machte er das Fenster auf und ließ die Äffin herein.
Sie flatterte erst auf das Bett und dann leise schnatternd auf Tylers Schulter. »Ich hab mich schon gefragt, wann du mal wieder auftauchst«, sagte er und wühlte in der Tasche nach ein paar getrockneten Apfelstückchen. Zaza patschte aufgeregt auf Tylers Haare und grapschte dann nach dem Apfel. Tyler kraulte ihr rundes Köpfchen. »Du wirst mir fehlen. Ich wünschte, ich könnte dich mitnehmen.« Er lachte. »Mann, in der Schule würden sie vielleicht Augen machen!«
»Ich würde gern Alamu mit in die Schule nehmen«, sagte Lucinda. »An der Leine. Bei dem könnten Allison Keltner und die andern hochnäsigen Mädchen aus dem Schwimmvereinnicht sagen: ›Ich hab auch so einen, nur größer‹, was?« Sie kicherte. »Dann würde ich ihm sagen, er soll Allisons Haare absengen.«
»Sag mal, Schwesterherz. Du wirst ja richtig knallhart.« Doch beim Thema Drachen fiel ihm etwas ein. »He, Zaza«, sagte er und kraulte sie am Kinn, »weißt du vielleicht, wo dieses Kontinuaskop ist? Na, weißt du’s?« Er gab ihr das letzte Stück Apfel. »Wenn ja, musst du es mir sagen.«
Zerkaute Obstkrümel fielen aus Zazas Pfoten in den Kragen von Tylers T-Shirt. »Sie versteht dich nicht«, amüsierte sich Lucinda.
»Ach ja?«, meinte Tyler. »Und wer hätte gedacht, dass der Drache dich versteht? Komm mit!« Er raffte die Aufzeichnungen zusammen. »Jetzt verstauen wir das erst mal. Und ich hab dir noch gar nicht von meiner Idee erzählt, Lucinda.«
»Stimmt. Spuck’s aus.«
»Das Spiegelgespenst in der Bibliothek – ich glaube, es ist Grace.«
Während des Abendessens beobachtete Tyler die anderen Bewohner der Farm und fragte sich, was sie wissen und was sie verbergen mochten. Ragnar hatte ihnen die Geschichte der meisten erzählt. Haneb kam aus dem alten Vorderen Orient. Er war noch ein Kind gewesen, als Gideon ihn zusammen mit den beiden Drachen holte, die ebenfalls klein gewesen waren. Lucinda hatte sich sehr für Hanebs Herkunft interessiert. Tyler vermutete, dass sie eine Schwäche für den verunstalteten Mann hatte, und hoffte, dass er für die Tat, die die Drachin ihm unterstellte, einen anderen Grund gehabt hatte als den Wunsch, ein Riesenomelett zu machen.
Die drei Amigos waren mongolische Hirten,
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