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Die Drachen Der Tinkerfarm

Die Drachen Der Tinkerfarm

Titel: Die Drachen Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Beale , Tad Williams
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zusammengerollter Schlafsack seinsollte. Doch als sie das schwerlidrige, trübe Auge der Drachenmutter sah, fiel ihr wieder ein, dass aus diesem Ei gar nichts mehr würde.
    »Die Ärmste«, murmelte sie vor sich hin und ging näher heran. Haneb trat am Geländer an Lucindas linke Seite. »Sie wirkt so erschöpft. Als ob sie kapituliert hätte.« Sie blickte in Meserets Auge, das einen auch halb geschlossen unwiderstehlich in seinen Bann zog. »Sind sich denn alle ganz sicher, dass das Junge nicht lebt?«
    »Ja«, sagte Haneb. Er zögerte. »Wenn wollen, zeige ich Master Gideons Zauber. Auch Master Colin habe gezeigt.«
    Als sie nickte, zog er sich eine feuerfeste Haube mit einer Kunststoffsichtscheibe über den Kopf, nahm dann mit seiner dick verhüllten Hand schüchtern Lucindas Arm und führte sie am Drachengehege entlang zu einem alten Metalltisch, auf dem ein Laptop stand. Die Drachin rührte sich nicht, aber ihr großes Auge verschob sich im Lidschlitz ein wenig, um Lucinda zu beobachten – jawohl, um sie zu beobachten, nicht Haneb, hatte sie das beklemmende Gefühl. Weil sie ihr nicht vertraut war oder warum sonst? Lucinda stellte sich auf die Zehenspitzen und beugte sich über das Geländer. Das feuerfarbene Auge öffnete sich ein klein wenig mehr, doch das reichte aus, um Lucinda ein wachsweiches Gefühl in den Beinen zu geben. Sie ließ sich wieder zurücksinken … ganz langsam.
    Meserets Kopf hatte die Größe eines kleinen Sportwagens, ein mächtiger Keil aus Knochen, Schuppen, Zähnen und zurückgelegten Horngraten, die von den Augenhöhlenrändern ausstrahlten. Ihr Hals war lang und muskulös und ging dann in die Schultern und die riesigen, eingefalteten Membrane ihrer Flügel über, die anscheinend ähnlich wie bei Fledermäusen (genau konnte Lucinda es bei dem liegenden Drachen nicht erkennen) zwischen den äußersten Vorderzehen und den Hüften wuchsen. Die zwei inneren Zehen auf jeder Seite, kaum dicker als Lucindas Arme, aber lang wie Äste, stellten die Streben dar, an denen die Flügelhaut aufgespannt war wie Papier über das Balsagerippe eines Kinderdrachens. Am liebsten hätte Lucinda den ihr zugewandten Flügel berührt, eine zarte, durchscheinende Hautfahne an der Burg des harten Panzers.
    Haneb tapste in seinem grotesken Sicherheitsanzug an ihr vorbei. Mit seiner Haube sah er aus wie ein Roboter aus einem alten Sciencefictionfilm. In einer Hand hatte er einen Kunststoffstab, der durch eine geringelte Schnur mit einem ungefähr aktentaschengroßen Kasten verbunden war. Bei seinem seltsamen Aussehen und seinen langsamen Bewegungen erwartete sie beinahe, dass er wie ein von der Schwerkraft befreiter Astronaut über die Käfigwand springen würde, doch stattdessen machte er mit seiner freien Hand das Tor auf und stapfte hinein.
    Meseret grollte abermals. Lucinda spürte den Ton durch die Fußsohlen, doch als er verklang, blieb in ihrem Schädel ein eigenartiges Vibrieren zurück, als ob ihr Hirn von dem tiefen Drachenbrummen nachzitterte. Im Nacken und an den Armen stellten sich ihr die Haare auf, und ihre Haut prickelte.
    Sie konnte kaum glauben, wie klein Haneb gegen die Masse des Drachen war – Meseret hatte den Kopf ein wenig gehoben, und die Spitze seiner Haube reichte knapp bis zum Unterrand ihres Auges. »Vorsicht!«, sagte sie, doch sie bezweifelte, dass er sie hören konnte.
    Haneb kniete sich neben das Ei. Das Brummen wurde lauter, aber Haneb ließ sich nicht davon beirren. Er streckte behutsam den Stab nach dem Ei aus, bis er nur Zentimeter davon entfernt war, dann schob er ihn noch langsamer vor, bis er die weiche Schale berührte.
    Mit einem Mal begriff Lucinda, was er machte – der Stab war eines von diesen Ultraschalldingern, die man bei schwangeren Frauen benutzte –, und sah sich nach dem Computerbildschirm auf dem Tisch um. Das Schwarzweißbild wackelte und veränderte sich, ein trübes, undeutliches Gewaber, das sich erst nach und nach in etwas wie einen großen Klumpen Kaugummi mit einer Zellophanhülle darum auflöste: das Junge umgeben von seinen eingefalteten Flügeln, vermutete sie. Als Haneb den Stab stillhielt, bewegte sich nichts mehr. Das Ding im Ei hätte aus Stein sein können.
    »Oh!«, sagte Lucinda, und plötzlich hatte sie Tränen in den Augen. Wie schrecklich! Das winzige Drachenbaby, tot in seinem Ei, würde niemals das Licht sehen und die Luft fühlen. »O nein. Das arme kleine Ding!«
    Meserets großes Auge richtete sich wieder auf sie, ein

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