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Die Drachen Der Tinkerfarm

Die Drachen Der Tinkerfarm

Titel: Die Drachen Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Beale , Tad Williams
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rief Gideon mit der gezwungenen Leutseligkeit eines Kaufhausweihnachtsmanns aus. »Oola, willkommen in unserem Kreis! Gebt ihr ein Glas Apfelmost!«
    »Bloß nicht, Gideon!«, sagte Mrs. Needle. »Sie hat wahrscheinlich im Leben noch nichts Alkoholisches getrunken. Sei so gut und gib ihr etwas Wasser, Sarah, und etwas zu essen. Aber nicht zu viel, damit ihr nicht schlecht wird.«
    Tyler gefiel die Art nicht, wie Gideon dem Mädchen einfach den Namen weggenommen hatte. Er wollte noch einmal sagen, dass sie bereits einen Namen hatte, einen eigenen Namen, der für sie eine Bedeutung hatte, aber er wusste, dass der Alte ihn bloß auslachen würde. Die Wärme der Küche machte ihn ganz benommen, und auch wenn sie es nicht gut mit ihm meinte, hatte Mrs. Needle recht: er war hundemüde.
    »Um auf deine Frage zurückzukommen, Lucinda«, sagte Gideon. »Octavio Tinker war seiner Zeit um Jahrzehnte voraus. Er schloss auf die Existenz des ›Transits der fünften Dimension‹, wie er es nannte, und trat den Beweis an, als er diesen Ort entdeckte. Ich will gar nicht erst versuchen, alles zu erklären – es ist sehr kompliziert. Aber am einfachsten kann man es sich so vorstellen, dass die ersten drei Dimensionen der Raum sind, die vierte ist die Zeit, und die fünfte ist die Wahrscheinlichkeit.« Gideon formte mit den Händen eine Rundung und deutete dann eine mitten hindurchlaufende Gerade an. »Die Erde hat Transitpole der fünften Dimension, genau wie sie einen magnetischen Pol hat. Das sind die Punkte, wo die fünfte Dimension in unsere vierdimensionale Raumzeit eintritt.«
    Er lehnte sich zurück, hob sein Glas Apfelmost und nahm zwei große Schlucke. »Auf den alten Octavio! Er mag ein mieser, knickriger Halunke gewesen sein, aber er hat es diesenganzen Eierköpfen gezeigt. Denn wir sitzen hier an einem Transit der fünften Dimension, an einer Stelle, wo unsere Erde mit allen anderen Erden in Kontakt kommt, die es je gegeben hat – und von den möglichen Erden haben wir nicht einmal eine Ahnung. Die Verwerfungsspalte ist eine Tür in die Zeit.« Er seufzte und sah plötzlich aus, als ob alle Luft aus ihm gewichen wäre. »Wenn wir nur wüssten, wie man sich darin bewegt – wie man wieder zurückkommt, wenn man einmal drin ist. Du hast Glück gehabt, dass diese Eiszeitwelt lange genug offen blieb, um dich wieder freizugeben, Junge. Du hättest für alle Zeit darin verschwinden können.« In sich zusammengesunken blickte er sein Glas an. »Für alle Zeit …«
    »Ach, Gideon, du machst den Kindern ja Angst.« Mrs. Needle schlug wieder ihren »freundlichen« Ton an – sie klang wie Mary Poppins.
    Aber diese Mary Poppins reitet auf einem Besenstiel, dachte Tyler, nicht auf einem Schirm.
    Er begriff nicht so recht, wovon Gideon redete – er hatte eigentlich relativ problemlos wieder hinausgefunden. Na ja, problemlos war vielleicht nicht ganz das richtige Wort, aber … »Heißt das, wenn man hineingeht, kommt man nicht wieder raus?«
    Gideon nickte traurig. »Früher konnten wir uns darin frei bewegen. Octavio und meine …« Er hielt inne und holte tief Luft. »Octavio hatte ein Instrument, mit dem er ein- und austreten und sich in der Verwerfungsspalte orientieren konnte wie ein Entdecker mit einem Kompass oder ein Seefahrer mit einem Sextanten. Er nannte es das Kontinuaskop. Aber es ging vor etlichen Jahren verloren.«
    Auf einmal war Tyler wieder hellwach. »Das Ding auf dem Gemälde«, entfuhr es ihm, bevor er es verhindern konnte.
    »Tyler!«, wisperte Lucinda warnend, doch es war zu spät.
    »Was hast du da gesagt, Junge?«, fuhr Gideon ihn mit schneidender Stimme an. »Was für ein Gemälde?«
    Tyler schluckte. Es gab kein Zurück mehr. »Da hängt ein Gemälde von … von Octavio Tinker. In der Bibliothek. Er hat irgendwas in der Hand – sieht aus wie ein ungewöhnliches Musikinstrument, stimmt’s? –, und ich hab mich gefragt, was das ist.«
    Gideons Augen waren nur noch schmale Schlitze. »Und was hast du in der Bibliothek getrieben, du Bengel?«
    »Ich hab … bloß mal geguckt. Nachdem ich mit der Arbeit fertig war.«
    Mehrere Herzschläge lang sagte niemand ein Wort. Dann war die gefährliche Situation – und sie hatte sich ziemlich gefährlich angefühlt – plötzlich vorbei.
    Gideon ließ sich in den Sessel zurücksinken und nahm noch einen Schluck Apfelmost. »Allerdings, das war es. Das Kontinuaskop, das weltweit einzige Navigationsgerät der fünften Dimension. Es basiert auf der

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