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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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Verständnis, unbürokratische Menschlichkeit. Ich bin jemand, der hilft, wenn sonst keiner mehr helfen kann. Die letzte Instanz sozusagen. Und dafür bekomme ich fünf Prozent.«
    »Fünf Prozent Zinsen?« fragte Angelo Sgreccia.
    »Pro Tag«, sagte die Signorina.
    »Pro Tag?« fragte Ivan Garzone.
    »Sie wollen zwei Millionen von heute auf morgen. Das Geld liegt nicht auf der Straße herum«, sagte die Signorina.
    Fünf Prozent, das machte hunderttausend Euro! Pro Tag! An Zinsen! Siebenhunderttausend pro Woche. In nicht mal drei Wochen wäre neben den zwei Millionen Darlehen dieselbe Summe an Zinsen fällig.
    »Sie sind ja total verrückt!« sagte Angelo Sgreccia.
    »Absolut wahnsinnig!« bekräftigte Ivan Garzone.
    »Keiner zwingt Sie«, sagte die Signorina. »Es ist nur ein Angebot.«
    Zwei Kellner brachten Weißwein und zwei große Antipastiplatten, obwohl noch keiner von ihnen bestellt hatte. Der Wein war ein hochklassiger Verdicchio di Matelica der Kellerei Bisci. Auf der einen Platte befanden sich warme, auf der anderen kalte Vorspeisen. Es fehlte nichts, was das Mittelmeer an Meeresfrüchten zu bieten hatte.
    »Sie bedienen sich selbst«, sagte die Signorina. Sie wandte sich zu Ivan: »Das geht natürlich auf meine Kosten.«
    Das Meer sah aus, als hätte man aus einem riesigen Kübel dickflüssige blaue Farbe ausgekippt. Der Wind kletterte über die Terrassenbrüstung und spielte in den Blättern der Zitronenbäume. Im Windschatten des Hauses döste eine getigerte Katze.
    »Es kann sich Monate hinziehen, bis die Erbschaftsfrage geklärt ist«, sagte Angelo.
    »Tägliche Zinsen, das geht nicht«, sagte Ivan. »Wir müssen wissen, was es letztlich kostet.«
    »Minh ist acht Jahre alt«, sagte Catia. Ihre Stimme zitterte ein wenig, doch sie zwang sich weiterzusprechen. »Letzten Monat hat er Geburtstag gefeiert. Ich habe ihm ein Fahrrad geschenkt, und er kann auch schon ganz gutdamit fahren. Nur bergauf geht es noch ein wenig wackelig.«
    »Nehmen Sie doch von den gratinierten Canocchie!« sagte die Signorina. »Ich weiß nicht, wie die das hier so lecker hinbekommen.«
    »Hunderttausend fix«, sagte Ivan. Angelo nickte. Die Signorina lächelte, nahm das Tuch von der Weinflasche und schenkte sich nach.
    »Mein Sohn ist klein für sein Alter«, plapperte Catia, »aber er stellt sich geschickt an. Beim Basteln zum Beispiel. In der Schule geht es mehr schlecht als recht. Dabei fehlt es nicht an Begabung, meint seine Lehrerin, er sei nur mit den Gedanken oft anderswo. Aber es wird schon werden, Minh ist ja noch so jung.«
    Die Katze streckte die Vorderpfoten von sich, gähnte, buckelte und tapste heran. Sie strich um die Tischbeine. Die Signorina ließ einen Garnelenschwanz fallen.
    »Er hat sein ganzes Leben noch vor sich und …« Catia verstummte. Sie rückte das Fischmesser auf der Serviette zurecht.
    »Zweihunderttausend fix«, sagte Angelo. Ivan nickte. Der Blick der Signorina wirkte ein wenig verächtlich. Er sagte, daß sie nicht auf dem Basar seien. Und daß es nicht um Teppiche oder Goldkettchen gehe.
    »Kürzlich hat er wieder nach seinem Vater gefragt. Ob wir nach Vietnam reisen und ihn suchen«, sagte Catia. »Dabei weiß ich überhaupt nicht, ob er in Vietnam ist oder sonstwo. Ich habe ihn nie mehr gesehen. Nur diese eine Nacht.«
    »Und wenn ich meine Klage zurückziehe?« sagte Angelo zu Ivan. »Ich erkenne das Testament an, und du garantierst mir meinen Pflichtteil plus die Hälfte des restlichen Erbes.«
    Das würde die Wartezeit vielleicht auf ein paar Wochen verringern. Aber Catia brauchte das Geld sofort. Die Signorina probierte von dem Tintenfischsalat, der mit gehackten Tomaten, Chili, Limettensaft und verschiedenen Kräutern angemacht war.
    »Sein Vater wird nicht um ihn trauern«, sagte Catia. »Er weiß ja gar nicht, daß er einen Sohn hat.«
    Die Signorina nahm sich einen Zahnstocher und pulte damit ein paar der in Weißwein gekochten Meeresschnecken aus dem Gehäuse.
    »Hören Sie doch endlich auf zu essen!« zischte Ivan.
    Die Signorina tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab und sagte: »Ich komme Ihnen entgegen, so weit ich kann: Eine Million pro angebrochenem Monat. Das ist mein letztes Wort.«
    »Das ist nicht drin«, sagte Ivan.
    »Völlig unmöglich«, sagte Angelo.
    »Ihr letztes Wort?« fragte die Signorina.
    »Am liebsten spielt er mit Drachen, die er selbst gebastelt hat.« Catia sprach hastig, als hinge alles davon ab, gerade das noch anzubringen. »Er läßt sie in den

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