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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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großen Grabnische und zitterte am ganzen Körper. Das mußte an der Kälte liegen, die der nackte Zement ausströmte. Angst vor dem Tod hatte Curzio keinesfalls. Höchstens vor dem Sterben. Und vor dem körperlichen Schmerz, wenn ihm die Kugeln Fleisch und Knochen zerfetzten.
    Curzio hörte, wie der Klappstuhl durch den Kies zurückgeschoben wurde. Angelo war aufgestanden und ging jetzt mit schweren Schritten auf und ab. Curzio versuchte sich einzureden, daß ihn nur der kalte Wind hochgescheucht hatte, aber er konnte nicht verhindern, daß ihn die Angst anfiel wie eine ausgehungerte Ratte. Wenn es nur schnell ging! Und wenn ihn Angelo nur nicht in den Kopf schoß! Curzio wollte aufgebahrt werden, wie es sich gehörte. Seine Tochter und seine Nachbarn sollten ihnnoch erkennen können, bevor sie den Sargdeckel über ihm schlossen.
    Die Schritte stoppten in unmittelbarer Nähe. Bitte nicht ins Gesicht! dachte Curzio. Er schob sich so geräuschlos wie möglich weiter in die Sargnische hinein. Seine Schuhsohlen preßten sich gegen die hintere Wand. Draußen knirschte der Kies wieder auf, doch anders als zuvor. So, als sei Angelo in die Hocke gegangen. Curzio starrte auf die Verschlußplatte. Hatte sich nicht gerade das Licht, das durch den Spalt auf der rechten Seite fiel, abgeschwächt? Als hätte sich ein Schatten darüber gelegt. Der Schatten, den der Tod vorauswarf.
    Und jetzt begann der Tod zu grummeln. Er murrte vor sich hin, daß man sich um alles selbst kümmern müsse. Der Tod war ganz schlechter Laune, und ausgerechnet dann mußte er Curzio holen. Sollte Curzio ihn anflehen, ein andermal wiederzukommen? Sein Mund war ausgetrocknet. Nicht einmal ein Gurgeln brachte er hervor, gar nichts, er lag nur bewegungslos auf dem Bauch, die Augen weit aufgerissen, den Blick starr auf die Verschlußplatte gerichtet, die sich nun langsam bewegte. Hohl klang Stein gegen Stein. Ein handbreiter Streifen Licht fiel auf den Zementboden, als die Platte oben abgehoben wurde, und Curzio sah die Fingerkuppen, die über ihren Rand griffen.
    Der Tod hat frisch geschnittene Fingernägel, stellte er verwundert fest, und dann dachte er nur noch, daß er nicht sterben wollte. Nicht jetzt. Ein, zwei Jahre noch oder Monate oder wenigstens Wochen. Aber nicht sofort. Alles hätte Curzio dafür gegeben, nur noch ein paar Tage weiterleben zu dürfen. Freundschaft, vergangenes Glück, seine Erinnerungen, alles. Für jede Minute mehr hätte er einen Finger gegeben, für eine Stunde die ganze Hand, und wenn ihm jemand angeboten hätte, eine längere Lebensfrist mit unerträglichen Schmerzen zu bezahlen, hätte er keine Sekunde gezögert. Alles war besser als der Tod.
    Wirf mich in die Hölle! bettelte Curzio in Gedanken einen Gott an, den es wahrscheinlich gar nicht gab. Mach mit mir, was du willst, aber laß mich noch ein klein wenig weiteratmen!
    Und als ob der Gott, den es vielleicht doch gab, seine Bitte erhört hätte, wurde die Verschlußplatte nicht zur Seite gestellt, schob sich kein Gewehrlauf durch die Öffnung der Grabnische, erschien kein mordlüsternes Gesicht, in dem die Augen nur kurz zuckten, wenn der Finger den Abzug betätigte, es gab keinen Knall, und keine Kugel schlug in Curzios Schädel. Er lebte, er lebte immer noch, und er sah, wie die untere Kante der Verschlußplatte in die Führung eingepaßt wurde, wie sich die Seitenkanten genau ausrichteten, und dann sah er gar nichts mehr, weil jemand die Platte auch an der oberen Kante in die Höhlung der Nische drückte, so daß kein noch so feiner Spalt mehr blieb, durch den Licht hereinfallen könnte. Curzio sah nur noch Schwarz, doch er hörte, wie nacheinander die beiden Riegel vorgeschoben wurden, und er wußte, daß die Platte jetzt festsaß.
    Curzio war eingesperrt.
    In einer Grabnische mit Zementwänden um sich herum.
    Er war lebendig begraben.
    Curzio durfte noch ein wenig weiteratmen. So lange, bis er den Sauerstoff in seinem Grab verbraucht hatte. Er wußte nicht, wie lange das dauern würde. Ein paar Stunden möglicherweise, wenn er sparsam mit der Luft umging und sich nicht anstrengte. Wenn er darauf verzichtete, sich die Finger am Stein wund zu kratzen.
    Curzio hörte Schritte auf dem Kies. Er wollte schreien, wollte Angelo anflehen, ihn herauszulassen und dort zu erschießen. So würde er noch einmal das Tageslicht sehen, den Wind spüren und im Moment seines Todes an das denken, was er wollte, weil er nicht damit beschäftigt war, qualvoll und vergeblich nach ein

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