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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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gegenüber! Daß ihn keiner im Dorf ernst genommen hatte, lag dann gar nicht daran, daß sie alle zu dumm waren, das Offensichtliche zu sehen. Nein, Angelo hatte sie dazu überredet, und er mußte gewichtige Argumente vorgebracht haben. Stapelweise Argumente in Form von Einhundert-Euro-Noten.
    »Gianmaria!« rief eine ferne Stimme, die überhaupt nicht mehr nach der Benitos klang. Eher schon nach der Franco Marcantonis. Curzio traute ihm genausowenig über den Weg wie seinen beiden Schwestern. Die eine tat bigott, die andere debil, und was mit ihrem Bruder nicht stimmte, würde er schon noch herausfinden.
    »Gianmaria!« rief Milena Angiolini. Was wollten sie nur von ihm? Curzio ging die paar Schritte zum Friedhofstor. Vorsichtig blickte er durch das Gitter. Sie waren noch gut hundertfünfzig Meter entfernt. Im Laufschritt kamen sie die Straße vom Dorf herab, acht, zehn Leute, und natürlich war Angelo Sgreccia mittendrin. Der Mörder Benitos! War das nicht ein Gewehr, was er da über der Schulter trug? Jetzt wollte er Curzio ans Leben!
    Wie, zum Teufel, hatte er die anderen dazu gebracht, ihm bei der Hatz zu helfen? Waren sie alle seine Komplizen? Franco, Lidia, Milena, Matteo, Antonietta? Egal, Curzio hatte keine Zeit zu überlegen. Sie durften ihn nicht kriegen, das war das einzige, was nun zählte. Doch wo sollte er hin? Sie würden ihn sehen, wenn er durchs Friedhofstor schlüpfte. Über die Mauer und den Berg hoch bis in den Wald? Curzio war keine Zwanzig mehr. Er blickte sich um. Die Kapelle war immer versperrt, vor der Familiengruft der Rapanottis hing eine Kette mit Vorhängeschloß. Hinter den hüfthohen Buchsbaumhecken längs des Mittelwegs würde jeder Dreijährige Curzio finden, und sonst war die Anlage so übersichtlich wie ein Fußballplatz. Curzio drückte sich an der Innenseite der Friedhofsmauer entlang und hielt Ausschau nach etwas Waffenähnlichem, doch nicht einmal ein Spaten lag irgendwo herum. Draußen riefen Milena und Franco in bedrohlicher Nähe Curzios Namen. Es klang wie ein Hinrichtungsbefehl.
    »Herrgott, Benito!« knirschte Curzio zwischen den Zähnen hervor. Benito schwieg. Der machte es sich leicht,der hatte es hinter sich, ihn brachte keiner mehr um, er lag tot in seinem Sarg, geschützt von einer Marmorplatte und …
    Die Sargnische, in der Curzio seinen Proviant gebunkert hatte! In aller Eile rückte er die Verschlußplatte neben der Öffnung zurecht, kniete sich ächzend auf den Boden, steckte die Beine nach hinten in das rechteckige Loch und schob mit den Händen nach. Die Grappaflasche fiel um, als er sie mit der Hüfte streifte, doch sie ging nicht kaputt. Jetzt kratzte sein Oberkörper über den Zement, der Kopf verschwand in der dunklen Höhlung, die Hände tasteten nach der Verschlußplatte und zogen sie vor die Öffnung. Oben lag die Platte ganz an, doch sosehr Curzio auch mit den Fingernägeln krallte, er schaffte es nicht, sein Versteck auch unten abzudichten. Durch die Ritze an den Seiten fielen zwei dünne Streifen Tageslicht herein. Curzio konnte nur hoffen, daß das niemandem auffallen würde.
    Er winkelte die Arme an und schob den Oberkörper vorsichtig nach oben, bis er mit dem Kopf die Decke berührte. Die Grabnische war geräumiger, als er gedacht hatte. Schätzungsweise achtzig Zentimeter breit und sechzig hoch. Eigentlich recht bequem, so ein Grab! Wenn bloß keine Skorpione hier hausten. Curzio tastete nach der Grappaflasche und drehte den Verschluß auf. Er nippte zweimal. Als er die Flasche abstellte, achtete er darauf, ja kein Geräusch zu verursachen. Sie konnten nicht mehr weit entfernt sein. Er horchte. Noch einmal wurde sein Name gerufen, dann klirrte Metall, als sie den Riegel des Friedhofstors zurückschoben.
    Der eigene Atem kam Curzio viel zu laut vor. Das Geräusch hallte dumpf von den Wänden der Grabnische wider. Oder war es nur das Blut, das in seinen Ohren pochte? Draußen knirschte der Kies unter schweren Schritten, eine Stimme murmelte Unverständliches, und Curzio hielt die Luft an. Er dachte, daß es sich nicht gehöre, in einem Grabzu atmen. Da lag man still und tot und rührte sich nicht und schnaufte nicht.
    »Das ist sein Klappstuhl«, sagte Lidias Stimme.
    »Und er selbst ist sicher auch nicht weit. Die letzten Tage hat er sich nur hier herumgetrieben.«
    »Wir hätten stutzig werden müssen, aber ich dachte, daß er einfach nicht über Benitos Tod hinwegkommt.« Das war Angelo. Daß die Stimme eines Mörders so harmlos klingen

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