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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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hintertreiben wollte. Für Catia kam das eine wie das andere einem ungeheuren Verrat gleich, der sie darin bestärkte, niemandem zu trauen. Bald war sie davon überzeugt gewesen, völlig allein zu stehen und ihren Sohn nicht mit Hilfe der anderen, sondern nur gegen sie retten zu können.
    Matteo Vannoni hatte diese Entwicklung früh erkannt, war aber nicht in der Lage gewesen, sie aufzuhalten. Er wußte nicht, ob er immer zielsicher die falschen Wortewählte, wenn er seine Tochter ansprach, ob er für sie immer ein Fremder geblieben war oder ob sie ihn spüren lassen wollte, daß er sie ihre ganze Kindheit und Jugend über im Stich gelassen hatte und ihr deswegen nicht sagen solle, wie sie um ihr Kind zu kämpfen habe. Tatsache war, daß er nicht an sie herankam. Nicht erst, als er nun hörte, wie Catia den Rest des Dorfes an der Nase herumgeführt hatte, war ihm klargeworden, daß er sich damit abzufinden hatte. Aus der Sackgasse, in die sie sich verrannt hatte, würde er sie nicht zurückholen können. Vielleicht würde sie selbst zurückfinden, wenn die Geschichte mit Minh gut ausging. Daran mußte er arbeiten, und zwar auch gegen seine Tochter.
    Daß es ihm vielleicht auch um sich selbst ging, daß er nicht akzeptieren konnte, als Vater versagt zu haben, wollte Vannoni nicht wahrhaben. Er bemühte sich nun verstärkt um Antoniettas Töchter, die ein paar Jahre jünger als Catia waren. Einen Zusammenhang mit der Ablehnung, die ihm von seiner Tochter entgegenschlug, hätte er allerdings geleugnet. Er wolle doch keine Ersatzkinder, hätte er gesagt, er wolle nur gut mit Antonietta zusammen leben, und dem sei ein dauernder Kleinkrieg im Hause Lucarelli nicht förderlich.
    Tatsächlich hatte sich sein Verhältnis zu Sabrina und Sonia schon deutlich verbessert, seit er sie von seiner Theorie über Minhs Verschwinden überzeugt hatte. Sie liebten ihn nicht, aber sie respektierten ihn nun ein wenig und vermittelten ihm nicht andauernd das Gefühl, den Platz ihres Vaters unrechtmäßig besetzt zu haben. Vielleicht lag das nicht nur an Vannoni. Immerhin war Giorgio Lucarelli schon seit acht Jahren tot, und das war im Leben einer Zwanzig-und einer Zweiundzwanzigjährigen eine lange Zeit. Sie waren ohne ihren Vater erwachsen geworden und hatten ihren eigenen Weg eingeschlagen. Vannoni mußte sie für das anerkennen, was sie sich selbst erarbeitet hatten, dann würde er ganz von selbst aus dem Schatten des Toten treten.
    Sabrina und Sonia ähnelten sich äußerlich sehr, unterschieden sich aber in Art und Lebensstil. Sonia, die jüngere, bediente viermal pro Woche in der Pizzeria »Piccolo Ranch« drüben in San Pietro und half gelegentlich an der Kasse des Supermarkts in San Lorenzo aus. Das Geld, das dabei hereinkam, gab sie mit vollen Händen gleich wieder aus, sei es für Mode, für einen neuen MP3-Player oder in der Disco von Montecucco. Mit Feuereifer stürzte sie sich in neue Projekte vom Maskenbildnerkurs bis zu Tai Chi, nur um sie wenig später zugunsten noch neuerer fallenzulassen. Mit ihrer Schwester stimmte sie, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, darin überein, daß Montesecco toter sei als die Nekropolis der untergegangenen Römerstadt Suasa. Während Sonia dabei das Nachtleben im Auge hatte, das im Kartenspiel alter Männer vor der Bar gipfelte, dachte Sabrina eher an die fehlenden Zukunftsperspektiven. Sie hatte vor, sich später als Psychologin selbständig zu machen, und wenn sie noch in Montesecco wohnte, dann vor allem, um Geld zu sparen und sich auf das Studium zu konzentrieren. Für ihr Fachgebiet interessierte sie sich genauso wie für gute Noten, die sie auch regelmäßig erhielt. Sabrina war verschlossener, aber auch die ernsthaftere von beiden.
    Vor allem mit ihr suchte Vannoni das Gespräch über die Entführung Minhs. Dabei wollte er ihr zum einen zeigen, daß er sie ernst nahm, indem er sie in das, was ihm auf dem Herzen lag, einweihte. Zum anderen hatte er die Erfahrung gemacht, daß sich seine Gedanken ordneten, wenn er sie aussprach. Und nicht nur das. Jemanden anderen überzeugen zu wollen nötigte ihn, Ursachen und Folgen klar zu benennen. Oft genug kam er dadurch zu neuen Einsichten, die sonst im Brei seiner Gedanken verborgen geblieben wären.
    Vannoni saß mit Sabrina in der Küche. Auf dem Fensterbrett lagen ein paar tote Wespen. Drei, vier andere summten innen an der Scheibe nach oben, stürzten ab,krabbelten einmal im Kreis und flogen wieder gegen die Scheibe. Das Geräusch

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