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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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zurückkehren lassen sollen.Mamadou starrte auf die Bündel. Für einen Moment war er um keinen Deut anders als die Jäger, die um ihn herumstanden: sprachlos, starr und viel zu überrascht, um sich zu fragen, ob die eigenen Augen trogen. Doch dieser Moment flog vorüber. Ein Spalt tat sich zwischen Mamadou und dem Rest der Menschheit auf und wuchs sich zu einem Abgrund aus, den er nie mehr überwinden würde.
    Sie hatten ihn zu Recht ausgelacht, weil er sich angemaßt hatte, eine Zukunft haben zu wollen. Irgendein grausamer Gott hatte ihn dafür verhöhnt. Was er für sein persönliches Wunder gehalten hatte, war nichts als ein böser Streich gewesen, der ihm schmerzhaft bewies, daß einer wie er sich nichts erträumen durfte. Denn die Bündel vor ihm bestanden nicht aus Geldscheinen, sondern aus nachlässig geschnittenem Zeitungspapier. Aus Wetterberichten und Börsennotierungen, aus Meldungen über Verkehrsunfälle, Drogentote und Wohltätigkeitsbasare, aus Leitartikeln, Werbeanzeigen und überholten Fernsehprogrammen.
    Daß auch die Jäger in den Koffern ein Vermögen vermutet hatten, konnte Mamadou nicht trösten. Wie durch Watte bekam er mit, daß sie ihn zunächst verdächtigten, das Geld gegen Zeitungspapier ausgetauscht und auf der Flucht versteckt zu haben. An dieser Idee begannen sie erst zu zweifeln, als einer fragte, wie der Schwarze das denn ahnen konnte. Ob sie etwa glaubten, daß so einer mit zwei Kofferfüllungen geschnittenen und gebündelten Zeitungspapiers durch die Gegend laufe.
    »Wenn er nicht doch mit dem Entführer unter einer Decke steckt«, nuschelte der zahnlose Alte.
    »Jetzt pack endlich aus!« zischte einer und hielt Mamadou das Gewehr vors Gesicht.
    »Was bist du überhaupt für einer?« fragte der mit der Khakijacke.
    Mamadou war niemand. Er war nichts. Er hatte keinen Namen, keine Familie, keine Heimat, keine Vergangenheitund erst recht keine Zukunft. Selbst der Koffer, den er in Urbino stehengelassen hatte, gehörte ihm nicht. Er sah zu, wie der Wind durchs Zeitungspapier eines der Bündel blätterte. Dann sagte er: »Ich bin nur ein Vucumprà.«
    Die Rückkehr der Männer, die den Ballon verfolgt hatten, gestaltete sich alles andere als triumphal. Die zwei Millionen Euro waren verschwunden, und von Minh gab es ebensowenig eine Spur wie vom Entführer. Zwar hatten sie einen Gefangenen gemacht, doch der war bloß ein Vucumprà. Mit jedem Kilometer, den sie sich Montesecco näherten, schien ihnen unwahrscheinlicher, daß er irgend etwas mit der Sache zu tun hatte. Mürrisch saßen die Männer in den Autos und überlegten, was eigentlich schiefgelaufen war. Luigi und sein Sohn fuhren gar nicht mehr ins Dorf hoch. An der Abzweigung hupten sie nur kurz zum Gruß und beeilten sich, auf ihren Hof zu kommen, um sich um die Tiere zu kümmern. Die anderen parkten auf der Piazza, von der sie ein paar Stunden zuvor in deutlich besserer Stimmung aufgebrochen waren.
    Mitten in der Nacht hatte Catia bei Ivan geklopft und ihn um Hilfe gebeten, da sich der Entführer gemeldet und den sofortigen Start des Ballons verlangt habe. Die Koffer habe sie schon im Korb verstaut, doch schaffe sie es allein nicht, den Brenner anzuwerfen. Über ihre Bitte, Stillschweigen zu bewahren, lächelte Ivan nur. Es wäre sowieso zu spät gewesen, da Michele, der bei Ivan untergebrachte Privatdetektiv, die vorbereitete Telefonkette schon in Gang gesetzt hatte.
    Franco Marcantoni brauchte nur noch in die Stiefel zu schlüpfen. Wie er den anderen nachher mitteilte, hatte er im Urin gespürt, daß es diese Nacht losginge, und deswegen schon in den Kleidern geschlafen. Gewehr, Patronentasche, Messer, Fernglas, Kompaß, topographische Karten, Trillerpfeife, Verbandmaterial, Wasserflasche und zwei Panini mit Salami lagen neben seinem Bett für dieStunde Null bereit. Donato, der am Morgen zum Dienst im Bauamt hätte antreten müssen, berief sich auf übergesetzlichen Notstand, der eine Krankmeldung nicht nur rechtfertige, sondern sogar unbedingt erfordere. Auf einen Tag hin oder her käme es bei Baugenehmigungen sowieso nicht an, und hier gehe es immerhin um das Leben eines kleinen Jungen. Dem stimmte Angelo Sgreccia vorbehaltlos zu, mal ganz abgesehen davon, daß er Ivan gern unter Kontrolle hatte, wenn der einem Lösegeld von zwei Millionen Euro nachstellte. Luigi und sein Sohn Gianfranco beteiligten sich, weil sie gebraucht wurden. Nur sie verfügten über einen auf Allradantrieb umgerüsteten Fiat Uno. Ein Fahrzeug, mit dem

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