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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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man eine Schafherde auf steilen Stoppelfeldern zusammentreiben konnte, würde bei der Verfolgung eines Ballons über Stock und Stein sicher nicht schaden.
    Daß Catia gegen den Aufbruch der Männer nur halbherzig protestiert und ihn schließlich offensichtlich resigniert hingenommen hatte, machte die Sache einfacher und war ihnen deshalb keinen weiteren Gedanken wert. Zu stark hatte sie der Jagdeifer gepackt, zu sehr waren sie damit beschäftigt gewesen, den silbernen Ballon im Auge zu behalten und die besten Verfolgungsstrecken auszuwählen.
    Erst im nachhinein kam ihnen Catias Verhalten merkwürdig vor. Es schien fast, als habe sie den Fehlschlag des Unternehmens vorausgeahnt und gar nicht befürchtet, daß sich der Entführer durch die Jagd auf ihn provoziert fühlen könnte. Dazu kam das Rätsel des verschwundenen Lösegelds. Auch wenn völlig unverständlich blieb, wieso gerade Catia das Leben ihres Sohns gefährden sollte, indem sie den Entführer mit wertlosen Zeitungsschnipseln foppte, so mußte doch irgendwer den Inhalt der Koffer ausgetauscht haben. Und Catia hatte das Geld nun mal in Verwahrung gehabt.
    Es war Ivan Garzone, der die beiden Koffer aus dem Wagen hob, zu Catias Haus hinauftrug, den Inhalt vor ihreTür schüttete und ihr auf den Kopf zusagte, daß sie das zu verantworten habe. Zur Verblüffung aller leugnete Catia keineswegs.
    »Ja und?« sagte sie leichthin.
    »Wo ist das Geld?« fragte Ivan.
    »Etwas anderes interessiert dich wohl nicht?«
    »Wo ist es?« zischte Ivan.
    Catia antwortete, sie habe es in Abfallsäcke gesteckt und bei den Müllcontainern am Ortseingang abgestellt. Inzwischen seien die Säcke allerdings weg. Ivan könne sich sparen nachzusehen. Catia sprach so fröhlich, als sei es der einzige Weg zum Glück, zwei Millionen Euro loszuwerden.
    Es dauerte eine Weile, bis die anderen begriffen. Und noch ein wenig länger, bis sie es glauben konnten. Zur Sicherheit fragte Angelo: »Du hast uns hinter dem verdammten Ballon herjagen lassen, damit sich der Entführer hier ungestört das Geld abholen konnte?«
    Catia lächelte. Die Männer blickten auf die Zeitungspapierbündel vor der Türschwelle.
    »Schämst du dich überhaupt nicht?« fragte Franco endlich.
    »Nein.« Catia blieb ruhig. Zum erstenmal seit Minh verschwunden war, fühlte sie sich mit sich selbst im reinen. Bald würde ihr Sohn freigelassen werden. Sie hatte getan, was nötig war. Durch ihr Verhalten den Dorfbewohnern gegenüber hatte sie dem Entführer glaubhaft machen können, daß sie mit ihm kooperieren würde, wenn er nur das Leben Minhs schonte. Schon vor Tagen hatte sie ihm per SMS mitgeteilt, wie sie alle, die ihm gefährlich werden konnten, aus Montesecco entfernen wollte. Die Idee, eine Geldübergabe mittels Ballon vorzutäuschen, war gerade idiotisch genug gewesen, um die Männer des Dorfs zu überzeugen. Es brauchte nicht mehr als eine Prise Technik und ein wenig Pfadfinderromantik, um die Jagdleidenschaft zu würzen, die ihnen seit der Steinzeit in den Genen steckte und die sie auch in zehntausend Jahren noch nicht loswerden würden.
    Catia kannte ihre Dorfgenossen, und sie hatte jedes Detail bedacht. Natürlich hatte Ivan sofort geglaubt, daß eine Frau den Brenner nicht zünden konnte, wo es doch nur darum ging, den Ballon angeblich heimlich starten zu lassen und gleichzeitig sicherzustellen, daß die Männer aus Montesecco abzogen. Sogar die Koffer hatte Catia mit einer entsprechend abgewogenen Menge an Zeitungsschnipseln gefüllt, falls jemand auf die Idee gekommen wäre, sie fachmännischer zu verstauen und deswegen vor dem Start noch einmal anzuheben.
    Nein, Catia schämte sich nicht, alle hinters Licht geführt zu haben. Sie hatte es für ihren Jungen getan. Etwas anderes zählte für sie nicht, und wenn sie sich deswegen mit der Dorfgemeinschaft überwarf, dann war das eben so. Hätte sie noch einmal die Wahl, würde sie keinen Deut anders handeln. Sie würde lügen und betrügen und bedenkenlos jeden schmutzigen Trick einsetzen, der eventuell zur Rettung Minhs beitragen konnte. Daß die anderen vielleicht genau dasselbe Ziel verfolgten, daß sie vielleicht nicht weniger entschlossen als Catia selbst waren und nur einen anderen Weg für richtig hielten, auf diesen Gedanken kam Catia nicht. Wer nicht hundertprozentig mit ihr übereinstimmte, der bewies damit ihrer Meinung nach nur, daß ihm Minh nicht wichtig genug war, wenn er nicht sogar seine Befreiung aus undurchsichtigen eigenen Interessen

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