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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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schließt dich ein. Es ist dunkel, du bekommst keine Luft, schreist aber trotzdem verzweifelt um Hilfe und …
    Irgendwer mußte ihren Vater eingesperrt haben. Konnte so etwas aus Versehen passieren? Mußte dieser Jemand nicht bemerkt haben, was er da tat? Marisa konnte nicht an ein Versehen und wollte nicht an Absicht glauben. Sie ging zum Haus der Sgreccias hinüber, gab vor, ein wenig Mehl zu brauchen, und ließ sich auf einen Kaffee hereinbitten. Geduldig hörte sie sich Angelos Version der Einkesselung des Vucumprà an, sprach dann von den Sorgen, die sie sich mache, und lenkte das Gespräch über den ungewissen Verbleib ihres Vaters zu ihrem Ziel hin.
    »Wenn nicht er, dann muß jemand anderer auf dem Friedhof gewesen sein. Oder hast du vielleicht eine Grabnische geöffnet? Gleich neben Gianmarias Klappstuhl?«
    »Jetzt lassen sie nicht einmal mehr unsere Toten in Ruhe!« empörte sich Angelo.
    »Da lag kein Toter drin.«
    »Trotzdem!« sagte Angelo. »Und weißt du, was seltsam ist? Als ich auf Gianmaria wartete, war die Verschlußplattevor einem Grab auch nur angelehnt. Ich habe die Riegel festgemacht, damit alles seine Ordnung hat.«
    »War das auch ein leeres Grab?« fragte Marisa.
    »Natürlich. Die anderen sind doch verschraubt.« Angelo wirkte völlig ruhig. Keineswegs so, als verteidige er sich gegen die Unterstellung, einen Mordanschlag begangen zu haben. Vielleicht war es wirklich ein Versehen gewesen.
    »Und meinen Vater hast du nirgends mehr gesehen?«
    Angelo griff nach der Espressokanne. Als Marisa mit einer Handbewegung eine zweite Tasse ablehnte, goß er sich selbst nach, kippte einen Löffel Zucker dazu und rührte ein paarmal öfter um, als nötig gewesen wäre. Manchmal sind es solche Kleinigkeiten, die alles verändern. Marisa zwang sich, ruhig zu bleiben. Angelo war nun mal ein sorgfältiger Mensch. Das war er immer gewesen. Das wußte jeder. Es gab überhaupt keinen Grund, darüber so zu erschrecken. Auch ein sorgfältiger Mensch mußte nicht unbedingt in eine Grabnische blicken, bevor er sie verschloß. Oder?
    Angelo legte den Kaffeelöffel sorgfältig auf der Untertasse ab, nippte am Espresso und sagte: »Hör zu, Marisa, es tut mir ja leid, daß ich deinen Vater in Verdacht hatte, aber was hättte ich denn denken sollen? Daß er sein Handy längst nicht mehr besaß, konnte doch niemand ahnen.«
    »Ist schon gut«, sagte Marisa. Dafür brauchte Angelo sich nicht zu entschuldigen. Ihren Vater hatten die anderen ebenso verdächtigt. Nur hatten sie ihn nicht bei lebendigem Leib begraben. Plötzlich fühlte sich Marisa unwohl. Vielleicht vertrug sie den Kaffee nicht. Sie blickte auf die leere Espressotasse vor sich. Am Boden trockneten braune Reste ein, oben an der Wölbung waren Lippenstiftspuren zu erkennen. Sie sagte sich, daß das alles Unsinn sei. Sie kannte Angelo doch. Er war ein guter Nachbar, er wußte überhaupt nicht, was sie ihm unterstellte, hatte also schondeswegen keinen Grund, sie zu vergiften, und außerdem hatte er den gleichen Kaffee wie sie getrunken. Doch sicher fühlte Marisa sich trotzdem nicht mehr.
    Hastig verabschiedete sie sich und atmete erst draußen auf. Von Osten her blies ihr der frische Wind ins Gesicht. Er schmeckte nach Meer. Marisa zuckte zusammen, als sich die Tür hinter ihr wieder öffnete und Angelo ihr nachrief. Stumm drehte sie sich um, erwartete, ein Gewehr auf sich gerichtet zu sehen und höhnisch gefragt zu werden, ob sie denn glaube, daß er sie einfach so gehen lassen könne. Jetzt, da sie ihn als Mörder entlarvt habe.
    »Bist du nicht wegen des Mehls gekommen?« fragte Angelo. Er machte ein paar Schritte auf sie zu und drückte ihr eine Packung in die Hand. Marisa war viel zu überrascht, um sich zu bedanken. Sie nickte nur, ging nach Hause und stellte die Tüte Mehl auf den Küchentisch. Es war eine noch nicht angebrochene Packung Weizenmehl, wie man sie in jedem Supermarkt kaufen konnte.
    Marisa dachte, daß einem, der wahrscheinlich seinen eigenen Vater kaltblütig ermordet und einen anderen alten Mann sorgfältig in ein Grab eingesperrt hatte, alles zuzutrauen sei. Sie streifte die Gummihandschuhe über, die sie sonst für den Abwasch benutzte, öffnete die Packung, nahm vorsichtig zwei Handvoll Mehl heraus und rührte damit einen Pizzateig an, den sie eine halbe Stunde gehen ließ, bevor sie ihn in den Herd schob. Den fertigen Pizzaboden brach sie in kleine Stücke, die sie in einer Plastiktüte verstaute. Da noch ein wenig Zeit war,

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