Die Drachenflotte (German Edition)
schwöre ich.»
«Die Polizei hat Beweise.»
«Unmöglich. Was für Beweise sollen das sein?»
«Unwiderlegbare.»
«Nein. Sie lügen. Sie müssen lügen.»
Rebecca dachte an Andriama. «Nein», widersprach sie. «Sie lügen nicht.»
Schweigen. «Hören Sie auf, Rebecca», rief er dann. «Sie müssen mir vertrauen. Das ist doch Wahnsinn. Lassen Sie mich raus!»
Er begann wieder gegen die Klappe zu hämmern. Sie war ein solides Stück Arbeit, zwei Planken aus hartem cassave- Holz mit Stahlscharnieren, aber es war keine Gefängnistür und würde auf Dauer nicht standhalten. Sie musste in Eden sein, bevor er sich befreite. Im Haus würde sie sicher sein.
Sie rannte zum Cockpit. Die Yvette wurde von einer Dünungswelle emporgetragen. Links und rechts konnte sie die weißen Linien der Brecher an den Riffen erkennen. Die Passage lag direkt voraus. Kompass, Sonar, GPS, Karten. Für Daniel war der Umgang mit diesen Hilfsmitteln eine Selbstverständlichkeit, für sie nicht. Sie hatte kein Vertrauen zu sich.
Hinter ihr wurde das Hämmern heftiger. Sie hörte Holz splittern, und als sie nachschaute, war bereits ein blassgelber Riss im Holz der Klappe. Lange würde sie nicht mehr standhalten, und wenn es ihm gelang, sich zu befreien, war sie ihm ausgeliefert. Sie musste sich wehren, solange sie das noch konnte. Die Narkosemittel im Apothekerkasten fielen ihr ein. Sie eilte die steile Treppe hinunter und öffnete ihn. Da war es, eine volle Flasche Ketamin, inzwischen eine bevorzugte Partydroge, aber ursprünglich ein Arzneistoff zur Narkotisierung von frei lebenden Säugetieren. Es war ideal für Betäubungsgewehre, weil es so schnell wirkte, selbst wenn es nicht direkt in die Vene injiziert wurde. Sie riss eine frische Spritze aus ihrer Kunststoffverpackung, während sie die Treppe hochlief. Sie hatte oft genug selbst Ketamin genommen. Die Dosis war vom Körpergewicht abhängig. Sie würde sich mit einer Schätzung von Daniels Gewicht begnügen müssen. Als sie die Spritze aufgezogen hatte, brach krachend die Klappe über der Luke. Daniel schob einen Arm durch den Spalt und tastete blind nach den Riegeln. Die Yvette kippte über einen Wellenberg. Rebecca verlor das Gleichgewicht und stürzte der Länge nach hin. Daniel fand den ersten Riegel und schob ihn zurück. Sie kroch wie gejagt über das Deck, als seine Hände den zweiten fanden. Sie stieß ihm die Kanüle so weit oben wie möglich in den Arm und drückte mit dem Daumen den Kolben abwärts. Er schrie auf, dann schlug die Klappe krachend auf Deck. Sie flüchtete zur Kajüte, jagte den Niedergang hinunter, zog die Luke über sich zu und riegelte ab, gerade als Daniel sie erreichte und mit dem Fuß donnernd auf das Holz stampfte.
«Was haben Sie mir da gespritzt?», schrie er, Angst in der Stimme. «Was war das für ein Zeug, verdammt noch mal?»
Er begann, mit aller Kraft auf die Klappe zu trampeln, bis das Holz barst. Sein Fuß brach durch die Öffnung und traf sie mit solcher Wucht an der Stirn, dass sie rückwärts taumelte, über den Apothekerkasten stolperte und gegen das Bett prallte. Einer der Pfosten sprang aus seiner Verankerung, Emilia rutschte vom Bett und fiel, kalt und nass, direkt auf sie. Sie hörte sich schreien und schreien, in einem Albtraum gefangen, während sie ihre Schwester von sich stieß und sich dann das Gesicht rieb.
Es dauerte lange, ehe sie aufhörte zu schreien und die Stille bemerkte.
[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 49
I
R ebecca blickte nach oben. Daniels Bein hing immer noch durch die Luke herab, aber völlig bewegungslos. Das Ketamin hatte sein Wirkung getan. Sie stand auf, schob seinen Fuß nach oben und durch die klaffende Öffnung hinaus. Dann schob sie die Riegel zurück. Daniel war quer über die Luke gefallen, sie brauchte ihre ganze Kraft, um ihn wegzudrücken. Ihr Herz trieb seinen Spott mit ihr, während sie zu ihm hinuntersah. Trauer und Angst. Liebe und Hass. Aber sie hatte jetzt keine Zeit, sich über ihre Gefühle Gedanken zu machen. Das Ketamin war nur eine vorübergehende Lösung. Es würde ihr eine Atempause von vielleicht zwanzig Minuten verschaffen. Sie musste das Beste daraus machen.
Seil gab es genug in den Backskisten. Sie fesselte ihm zuerst die Hände auf dem Rücken, dann band sie die Füße zusammen und versuchte dabei möglichst genau nachzuahmen, was Daniel mit Pierre angestellt hatte. Aber Daniel kannte sich mit Knoten aus, sie nicht. Sie knebelte ihn und band ihn an der Reling fest, um ihn vom
Weitere Kostenlose Bücher