Die Drachenflotte (German Edition)
verschoben werden, und plötzlich gehört der Vater auch zur Crew. Emilia hat Angst, dass er von seinem Sohn erfährt und an seinem Leben teilhaben möchte. Aber genau das will sie nicht. Deshalb hat sie mich gefragt, ob ich nicht vorgeben könnte, Michels Vater zu sein. ‹Warum ich?›, habe ich sie gefragt. ‹Weil sein Vater Europäer ist›, sagte sie, ‹und du hier der einzige Europäer bist.› Mir hat das nicht gefallen, und das habe ich ihr auch gesagt. Ein Mann hat ein Recht darauf, seinen Sohn zu kennen.» Er zuckte vielsagend mit den Schultern. «Aber du kennst ja Emilia. Wenn sie sich einmal was in den Kopf gesetzt hat …»
Rebecca senkte den Kopf. Sie begann zu weinen.
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Epilog
Drei Monate später
R ebecca hielt Michel an ihre Hüfte gedrückt, während sie Titch nachwinkte. Ihr ehemaliger Geschäftspartner sah überhaupt nicht glücklich aus. Er war herübergekommen, um ein letztes Mal zu versuchen, sie zur Rückkehr nach London zu bewegen, aber nun musste er allein nach Hause fliegen. Er konnte es nicht verstehen. Immer wieder hatte er ihr versichert, die Firma habe gerade einen Riesenlauf. In Amerika sei ihre Sendung ein Triumph gewesen, Kanada und Australien hätten sich Optionen gesichert, und in Frankreich habe sie irgendeinen Preis gewonnen. Die Gelder flössen wieder. Talkshows rissen sich um einen Termin mit ihr. Sie werde hoch gehandelt.
Sie hatte sich bemüht, es ihm zu erklären. Wirklich. Aber schließlich hatte sie eingesehen, dass er es nie begreifen würde; es widersprach viel zu sehr seiner eigenen Einstellung zum Leben. Er war unfähig zu erkennen, dass diese Art von Erfolg ihr nichts mehr bedeutete und sie ein neues, vollauf befriedigendes Bild von sich hatte: das einer starken, strengen, selbstlosen und respekteinflößenden Frau und Mutter. Aufrecht und stolz, gefürchtet und geliebt von ihren madagassischen Freunden, bewundert, doch als leicht exzentrisch angesehen dafür, dass sie, die alles gehabt hatte, was der Westen bieten konnte, sich entschieden hatte, es für dieses neue Leben aufzugeben. Sie hatte einen Makler beauftragt, ihr Haus in Notting Hill zu verkaufen, Anwälte angewiesen, alle ihre Verbindlichkeiten zu regeln. Titch versüßte sie die bittere Pille mit dem Versprechen, ihren Anteil am Firmenkapital unter den Angestellten aufzuteilen und ihm den Löwenanteil zu überschreiben. Er würde endlich das Sagen haben in der Firma. Ob er das denn nicht immer gewollt habe?
«Ohne dich wird’s keine Firma geben», hatte er verschnupft geantwortet.
«Aber natürlich. Du musst nur die richtigen Leute finden.»
«In spätestens sechs Monaten wirst du dich zu Tode langweilen und auf Knien angekrochen kommen.»
Sie hatte so laut gelacht, dass er beleidigt gewesen war. Aber sie wusste, dass er sich täuschte. Sie hatte hier genug zu tun. Sie hatte angefangen, in der Schule zu unterrichten, Französisch, Biologie, Mathematik und Geschichte. Sie half Therese in der Ambulanz. Sie goss regelmäßig die Orchideen auf dem Familiengrab und hatte neue gepflanzt. Sie redete unablässig bei diesen Besuchen, erzählte ihrer Schwester und ihren Eltern alles, was sich in Eden tat. Oft sprach sie auch auf ihren Gängen durch das Dorf oder beim Wandern am Strand laut mit Emilia, und natürlich hielten die Leute sie für leicht verrückt. Ihre festen Gewissheiten über den Tod waren aufgeweicht. Sie hatte vielleicht nicht Gott gefunden, aber sie hatte die Ehrfurcht vor der Natur wiederentdeckt, die ihre Kindheit begleitet hatte und ihr auf der Jagd nach dem Gold eine Zeitlang verlorengegangen war. Adam hatte recht gehabt: Wir glauben nicht, weil wir denken. Wir glauben, weil wir lieben.
An jenem Tag in der Kirche in Tsiandamba, als sie seine Stirn küsste, hatte sie ihm ein zweites Versprechen gegeben. Eden würde die Zufluchtsstätte bleiben, die er geschaffen hatte, ganz gleich, was sie dafür tun musste. Oft lag sie nachts wach, die Hände unter dem Kopf verschränkt, den Blick in die Schatten unter dem Dach gerichtet, und schmiedete Pläne, die ihm zur Ehre gereichen sollten. Sie wusste noch immer nicht, warum er sich nach dem Tod ihrer Mutter mit so großer Wut gegen sie gewendet hatte, aber es war vorbei, sie trug es ihm nicht mehr nach. Allein seine Beschämung über sein Verhalten zählte und sein Wunsch, ihre Verzeihung zu erlangen. Sie hatte sie ihm aus ganzem Herzen gewährt.
Mit der wiedergewonnenen Ehrfurcht vor der Natur war auch ihre Begierde zu
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