Die Drachenflotte (German Edition)
klein und drahtig wie ein Polynesier, dunkelhäutig wie ein Ostafrikaner und hatte das seidige schwarze Haar des Chinesen. «Ich schätze Ihren Vater sehr. Ein feiner Mensch und für Madagaskar ein guter Freund», sagte er seufzend. «Und ebenso Ihre Schwester. So jung noch. Und so reizend. Ein schrecklicher Verlust.»
«Verlust?» Rebecca versagte beinahe die Stimme.
«Verzeihen Sie», sagte er, «aber Sie werden verstehen, dass angesichts der Situation –»
«Haben Sie schon aufgegeben?»
«Keineswegs. Wir tun alles, was in unserer Macht steht.»
«Und das wäre?»
«Meine Beamten haben das Haus Ihres Vaters und die umliegenden Dörfer aufgesucht. Sie haben mit vielen, sehr vielen Leuten gesprochen, unter ihnen auch zwei Fischer, die das Boot ihres Vaters vor den Riffen gesichtet haben wollen.» Er verzog das Gesicht. «Zumindest behaupten sie das, aber Sie kennen ja die Leute da oben, die sagen alles, nur um es einem recht zu machen. Danach haben wir nichts mehr gehört bis zum Abend, als die Südafrikaner auf das Boot Ihres Vaters stießen, steuerlos treibend und verlassen. Ich habe Kopien ihrer Aussagen vorliegen, wenn Sie sie sehen möchten.»
«Ja, bitte.»
Er kramte in seinen Schubladen und brachte einige schlechte Kopien mehrerer Seiten eines handgeschriebenen Textes zum Vorschein, die sie durchsah, während er sprach. «An der Reling und auf Deck wurden Blutspuren gefunden», fuhr er fort. «Sie werden augenblicklich an der Universität untersucht. Wahrscheinlich stammen sie von Ihrem Vater oder Ihrer Schwester, aber solange wir das nicht nachprüfen können …», endete er vielsagend.
Sie sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. «Sie meinen, Sie brauchen die Blutgruppen?»
«Ihr Vater und Ihre Schwester betreiben doch in Eden eine medizinische Ambulanz. Da gibt es sicher entsprechende Unterlagen.»
«Ich werde nachsehen. Aber wie läuft nun Ihre Suche? Haben Sie Boote eingesetzt? Hubschrauber?»
Er lächelte höflich. «Miss Kirkpatrick, Madagaskar ist ein armes Land, und Toliara ist seine ärmste Region. Unsere Mittel sind beschränkt, selbst unter idealen Bedingungen, von denen wir im Augenblick weit entfernt sind. Hinzu kommt, dass das, was Ihrem Vater und Ihrer Schwester zugestoßen ist, beinahe mit Sicherheit keine Sache für die Polizei ist.»
In diesem Moment klopfte es, die Tür wurde geöffnet, und ein Mann mittleren Alters mit glänzend schwarzem Haar schaute herein. Er verzog erfreut das Gesicht, als er Rebecca bemerkte. Er sei Mustafa Habib, teilte er ihr mit und trat unaufgefordert ins Zimmer, ein guter Freund ihres Vaters. Rebecca erinnere sich wahrscheinlich nicht an ihn, aber er habe sie als Kind gekannt. Doch Rebecca erinnerte sich sehr wohl an ihn, einen Import-Export-Händler, der ihrem Vater alle möglichen geheimnisvollen Ausrüstungsgegenstände besorgt hatte.
Er lachte amüsiert, als sie das sagte, und nahm eine Karte aus seiner Brieftasche. «Wenn ich irgendetwas tun kann. Ganz gleich, was.» Er hüstelte leicht verlegen. «Es ist vielleicht taktlos, das zu sagen, aber ich muss es trotzdem aussprechen. Eigene unglückliche Erfahrungen haben mich gelehrt, wie mühsam es sein kann, gewisse, äh, heikle Dinge in einem fremden Land zu erledigen. Wenn Sie Hilfe brauchen, ganz egal, welcher Art, wäre es mir eine Ehre, für Sie da zu sein. Ihre Familie hat so viel für unser Land getan.»
«Danke.»
«Sie haben ein Transportmittel? Einen Fahrer?»
«Ja.»
«Eine Unterkunft? Ich kann Ihnen nur mein bescheidenes Haus anbieten, aber es wäre uns eine Ehre –»
«Ich übernachte bei Pierre.» Heute Abend konnte sie in Eden doch nichts mehr ausrichten, außerdem wollte sie unbedingt ihren Neffen sehen und sich vergewissern, dass es ihm gutging. «Morgen fahre ich dann nach Hause.»
«Natürlich.»
Sie wandte sich wieder Adriama zu. «Sie erklärten mir gerade, warum das Verschwinden meines Vaters Sie relativ wenig interessiert.»
Adriama seufzte. «Ich habe lediglich gesagt, dass es wahrscheinlich keine Angelegenheit der Polizei ist. Unsere Küste ist tückisch mit den vielen Strömungen und Riffen. Als Sie jünger waren, haben Sie sicher selbst gelegentlich eine dieser unerwarteten Riesenwellen erlebt, die sich ohne Vorwarnung aus der ruhigsten See erheben und sogar den erfahrensten Fischer völlig unvorbereitet treffen können. Warum nicht Ihren Vater und Ihre Schwester?»
«Sie ziehen also eine Entführung oder einen Raubüberfall gar nicht in
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