Die Drachenflotte (German Edition)
Ein Telefonist meldete sich, sie absolvierten das Sicherheitsprogramm. Ein neues Feld öffnete sich auf dem Bildschirm, Sandro, der gereizt nach links blickte, bevor er sich der Kamera zuwandte. «Sie sind also gut angekommen?», fragte er.
Boris sah Davit an. «Ich rufe dich, wenn ich was brauche.» Er wartete, bis Davit gegangen war. «Er ist es», sagte er zu Sandro. «Es ist Knox.»
Nach einer Verzögerung von vielleicht einer Sekunde blickte Sandro mit zusammengekniffenen Augen in die Kamera. «Sind Sie sicher? So schnell?»
«Ich wollte nur einen kleinen Rundgang durch die Stadt machen, und wer kommt mir da entgegen?»
Wieder diese kleine Verzögerung. Boris wusste, dass sie eine Folge der Satellitenübertragung war, dennoch fand er sie irritierend.
«Wie können Sie so sicher sein, dass er es war?», fragte Sandro. «Hat er Sie erkannt?»
«Nein. Es war einfach seine ganze Haltung.»
«Seine ganze Haltung», wiederholte Sandro. Er maß Boris mit einem scharfen Blick. «Sie bilden sich hoffentlich nicht ein, wir bezahlen Sie dafür, dass Sie irgendeinen x-beliebigen Fremden umlegen. Bevor Sie etwas unternehmen, wollen wir einen Beweis dafür, dass es Knox ist.»
«Er ist es. Ich sag’s Ihnen doch.»
«Gut. Dann sollte es ein Leichtes sein, uns den Beweis zu liefern.»
Boris seufzte, aber er war klug genug, nicht zu widersprechen. «Wie schaut’s mit der Waffe aus? Schon was Neues?», fragte er.
«Petr hat einen Händler gefunden, der Ihnen ein Sortiment vorbeibringt. Unserer Einschätzung nach ist er sauber, aber Sie wissen, wie das ist. Sie sollten für die Übergabe vielleicht einen neutralen Ort vereinbaren. Außer es passt Ihnen, wenn er zu Ihnen ins Hotel kommt.»
Boris nickte. «Ich kümmere mich morgen darum.»
«Gut. Dann sprechen wir uns morgen wieder.» Der Bildschirm wurde dunkel. Boris zog den Stecker des Terminals, schaltete den Laptop aus und blieb in Gedanken versunken sitzen. Er war jahrelang Sandros Sicherheitschef gewesen, und niemals war seine Integrität angezweifelt worden. Dass es diesmal anders war, erfüllte ihn mit Groll. Aber dann fragte er sich, ob er da nicht vielleicht etwas übersah. Ilja Nergadse sann, wenn er wütend war, und das war er schnell, immer sofort auf Rache, doch Sandro dachte pragmatisch und hielt nichts von solchen Rachefeldzügen. Als Sicherheitschef hatte Boris oft erlebt, wie Sandro seinem Vater in derartigen Situationen begegnete. Er sagte niemals rundheraus nein. Vielmehr stimmte er scheinbar enthusiastisch zu, dass unbedingt etwas unternommen werden müsse, um dann in aller Stille geschickt dafür zu sorgen, dass nichts geschah, bis Ilja die ganze Sache vergessen hatte. Lief es auch in diesem Fall so ab? Ilja hatte ja nicht mehr lange zu leben. Das Einzige, was ihn noch interessierte, war, Knox mit ins Grab zu nehmen, und zum Teufel mit den Konsequenzen. Aber Sandro sah das sicher ganz anders. Er wusste, dass Knox’ Ermordung Riesenwellen schlagen würde. Niemals würde er seinem Vater offen entgegentreten, schon deshalb nicht, weil es Ilja durchaus zuzutrauen war, dass er ihn dann enterben würde. Jedoch hinter den Kulissen …
Boris dachte daran, Ilja zu warnen, aber nur flüchtig. Bald würde Sandro das Oberhaupt der Familie sein, und er, Boris, war dann auf sein unverändertes Wohlwollen angewiesen. Er schüttelte frustriert den Kopf. Wenn Sandro Beweise wollte, würde er sie eben beschaffen müssen. Die Frage war nur, wie.
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Kapitel 13
I
E s wurde dunkel. Rebecca schaltete die Scheinwerfer ein. Der Himmel war voller Sterne, als sie die kleine Ortschaft Salary erreichten, wo die Feuer für das Abendessen angezündet wurden und der Reis in rußgeschwärzten Kesseln garte, während die Familien sich versammelten, um Geschichten vom vergangenen Tag zu tauschen. Sie hielt in der staubigen Dorfmitte und stieg aus. Aus einem Café auf der Höhe einer Düne dröhnte madagassische Musik, begleitet vom tiefen Brummen eines Generators. Leute scharten sich einer nach dem anderen um sie und versuchten so zu tun, als starrten sie sie nicht an. Sie erkannte ein oder zwei von früher, aber die meisten waren ihr fremd. Ein Mann in einem glitzernden blauen Hemd kam, kleine Sandlawinen auslösend, eine Düne heruntergelaufen. Jean-Luc. Er war immer ein auffallender Mann gewesen: groß und gut aussehend, selbstsicher, gebildeter und ehrgeiziger als die anderen. Er hatte einiges zugenommen, aber es stand ihm, ließ ihn gewichtig und
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