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Die Drachenflotte (German Edition)

Die Drachenflotte (German Edition)

Titel: Die Drachenflotte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Adams
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Feuer, über dem sie Reis kochten und Fische grillten, bevor sie sich in einer Reihe nebeneinandersetzten und aufs Meer hinausschauten, während sie ihr Abendessen mit den Fingern aßen.
    «Sie haben mir den Schluss nicht verraten», sagte Lucia.
    «Wovon sprechen Sie?»
    «Von Ihrem wissenschaftlichen Referat. Haben die Chinesen Amerika entdeckt?»
    Er warf ihr einen Blick von der Seite zu. Sie musste die Missstimmung und den Aufruhr auf der Maritsa am vergangenen Abend mitbekommen haben. Vielleicht war das ihre Art, auf den Busch zu klopfen. «Ich habe nie ganz verstanden, was die Leute damit meinen», antwortete er vorsichtig. «Ich finde es ziemlich arrogant zu behaupten, die Neue Welt sei von Kolumbus oder den Chinesen oder sonst wem entdeckt worden. Was ist mit den Stammesvölkern, die vor sechzehntausend Jahren die Beringstraße überquert haben? Zählen die nicht? Oder den Nordmännern der Vinland-Sagas? Oder den Seefahrern aus Bristol, die lange vor Kolumbus an der amerikanischen Küste gefischt haben. Das Wort Entdeckung ist nichts als ein Euphemismus. Wirklich gemeint ist Eroberung . Aber nein, die Chinesen haben Amerika nicht erobert.»
    «Nettes Ausweichmanöver.» Sie lächelte.
    Knox lachte und wies mit einer Kopfbewegung über das Feuer hinweg zu Alphonse und Thierry, die sich die nächste Portion Reis aufluden. «Wussten Sie, dass diese Burschen manchmal in ihren Pirogen über die ganze Meerenge bis nach Mosambik segeln? Mehr als dreihundert Kilometer in einem knapp fünf Meter langen Kanu auf offener See voller Tücken und Gefahren, mit nichts ausgerüstet als Proviant, Wasser und einer Packung Zigaretten. Seefahrer vollbringen die tollsten Dinge mit ihren Booten, und sie hinterlassen nicht immer eine Spur. Es würde mich ehrlich gesagt sehr wundern, wenn nicht irgendein Chinese es vor Kolumbus nach Amerika geschafft hätte.»
    «Wirklich?»
    «Schauen Sie sich bei Gelegenheit mal eine Karte an. Wenn man zu Schiff von China nach Norden fährt, kann man den ganzen Weg um Kamtschatka herum bis zur Beringstraße an der Küste entlangsegeln, dann weiter Alaska hinunter bis British Columbia und zur Pazifikküste der Vereinigten Staaten. Oder wenn einem das zu kalt ist, kann man auch von Insel zu Insel über die Kurilen und die Aleuten schippern. Und das soll kein Fischerboot oder Handelsschiff je geschafft haben? Nicht einmal durch Zufall?»
    «Es geht doch nicht ums Ankommen», meinte Lucia. «Was zählt, ist der Report zu Hause.»
    «Vielleicht haben sie ja berichtet», sagte Knox. «Die Chinesen jedenfalls glaubten an einen Ort, den sie Fusang nannten, zehntausend Kilometer östlich ihres Landes, ziemlich genau dort, wo Kalifornien liegt. Kaiser Shu Huang sandte im dritten Jahrhundert eine Gruppe Siedler hin; nach dem, was man hört, ließen sie sich dort ganz bereitwillig nieder. Ein buddhistischer Mönch namens Hui Shen folgte mit einer Schar von Missionaren. Er hatte übrigens ein irisches Pendant, einen Priester, den heiligen Brendan, der im sechsten Jahrhundert mit einer Anzahl Mönche nach Westen reiste, um ein verheißenes Land der Fülle und des Wohlstands zu suchen, und unterwegs allerlei Abenteuer mit sprechenden Vögeln und geheimnisvollen schwimmenden Kristalltürmen erlebte. Dass Brendan gelebt hat, ist sicher, und seine Odyssee über den Atlantischen Ozean ist durchaus vorstellbar. Als die Wikinger Island erreichten, fanden sie es bereits von irischen Christen besiedelt. Und auch wenn die altnordischen Langboote weit schlichter waren als die chinesischen Schatzschiffe, ist es Leif Eriksson gelungen, von einem solchen Boot aus die nordamerikanische Küste zu sichten, während andere seiner Landsleute auf Neufundland eine Siedlung namens L’Anse aux Meadows gegründet haben, der einzige unwiderlegbare Beweis dafür, dass schon vor Kolumbus Europäer die Neue Welt erreicht haben.»
    Lucia nickte. «Zheng He und seine Admiräle hätten also damit gerechnet, dort, wo Amerika lag, auf Land zu treffen?»
    «Es hätte sie auf jeden Fall nicht überrascht. Was aber natürlich noch lange nicht heißt, dass sie dort angekommen sind. Oder auch nur irgendwo in der Nähe.»
    Sie hatten fertig gegessen und trugen ihre Teller zum Wasser hinunter, um sie zu spülen. «Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass die chinesischen Schiffe damals kaum steuerbar waren. Sie konnten praktisch nicht gegen den Wind segeln und waren deshalb ganz von den Monsun- und Passatwinden abhängig.» Er wies zum Wasser hinaus.

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