Die Drachenflotte (German Edition)
die Tiefe festzustellen. Das Wasser reichte ihm bis zur Brust. Er winkte Rebecca zum Heck, trug sie auf seinen Schultern zum Strand und setzte sie dort ab. Mit einer Kopfbewegung wies er auf die Yvette . «Ich muss sie noch schlafen legen», sagte er. «Können Sie so lange warten?»
«Ich komme schon zurecht», versicherte sie. Sie humpelte über die Dünen und nahm den dunklen Weg hinauf nach Eden. Schwarze Vögel flatterten kreischend vom Dach des Haupthauses auf. Wilde Truthühner gackerten. Sie hatte das unheimliche Gefühl, beobachtet zu werden, als sie die Eingangstür aufsperrte und öffnete. Drinnen lag ein brauner Umschlag auf dem Boden. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Sie zündete eine Öllampe an und verzog das Gesicht vor Schmerz, als sie sich bückte, um den Umschlag aufzuheben. Auf ihm stand in Blockbuchstaben ihr Name. Sie riss ihn auf und entnahm ihm ein Farbfoto, das ihren Vater und ihre Schwester vor einer weißen Mauer stehend zeigte. Sie hielten eine englischsprachige Zeitung in die Höhe. Wie betäubt drehte sie es um. Fünfhundert Millionen Ariary, hatte jemand auf die Rückseite geschrieben . Independence Square, Toliara, 9 Uhr am Montag. Reden Sie nicht mit der Polizei, sonst sind beide tot. Reden Sie mit niemandem, sonst sind sie tot.
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Kapitel 25
I
E uphorie. Blankes Entsetzen. Freude und Erleichterung hielten sich die Waage mit der eisigen Furcht, dass sich das Ganze, wenn sie es näher prüfte, als gemeiner Scherz erweisen würde. Sie wusste nur zu gut, wie leicht sich heutzutage Fotografien manipulieren ließen. Ihre eigenen Leute praktizierten das ständig, wenn sie ihre Sendungen bearbeiteten. Sie humpelte endlos in der Rezeption herum, während sie versuchte, ihre Hoffnungen nicht in den Himmel wachsen zu lassen. Ja. Jemand hatte sich ein altes Foto von Adam und Emilia beschafft und mit einem zweiten von irgendeinem Kerl mit der Zeitung in den Händen montiert und –
Sie hielt abrupt inne, von einem Anfall heftiger Krämpfe überrascht. Geburtswehen der Hoffnung. Weil sie auch wusste, wie schwierig es war, Fotos überzeugend zu fälschen. Man brauchte besondere Software dafür sowie Erfahrung und Sachkenntnis. Man brauchte Originale bester Qualität. Licht, Schatten und Perspektive mussten sich genau decken, sonst wirkte das Ergebnis unecht, was bei dieser Aufnahme nicht der Fall war. Toliara war auf diesem Gebiet nicht Seattle. Es gab keine Werkstätten für graphische Gestaltung, keine Softwarefirmen. Das Verräterischste aber war der Gesichtsausdruck ihres Vaters. Er sah hilflos und wütend aus.
Lieber Gott, lass es wahr sein.
Ein Laut wie der eines wilden Tiers entfuhr ihr. Ihr Magen rebellierte, sie schmeckte die Säure, die ihr bis in den Rachen hinaufschoss. Sie wiegte sich vor und zurück, bis ihr Magen sich beruhigt hatte, dann las sie noch einmal die kurze Botschaft. Die Buchstaben verschwammen unter ihrem Blick, und als sie sich die Augen rieb, schlug ihre Hand leicht zitternd an ihre Wange. Fünfhundert Millionen Ariary. Sie rechnete im Kopf und kam auf fünfzehn Millionen Pfund. Ihr drehte sich der Magen um, und sie übergab sich auf den Fußboden. Doch die Entleerung half. Ihre Hände wurden ruhig und ihr Kopf klar. Sie hatte sich mit dem Komma um ein paar Dezimalstellen vertan, das war alles. Tatsächlich waren es hundertfünfzigtausend Pfund, nicht fünfzehn Millionen. Die Krämpfe setzten wieder ein, aber nicht mehr so wütend. Sie hatten beinahe etwas Beruhigendes. Hundertfünfzigtausend Pfund, und sie würde ihren Vater zurückbekommen. Und Emilia …
Hundertfünfzigtausend Pfund. O Gott! Wie in drei Teufels Namen sollte sie –
Vielleicht sollte sie gleich die Polizei einschalten. Dass Entführer davor warnten, war logisch, das taten sie immer. Und Andriama, der Polizeipräsident, dem sie in Toliara begegnet war, hatte intelligent und mitfühlend auf sie gewirkt. Die madagassische Polizei allerdings war berüchtigt für ihre Inkompetenz und ihren Mangel an Diskretion, und wenn die Entführer davon Wind bekämen, dass sie … Rebecca wollte nicht daran denken. Sie musste wenigstens versuchen, das Geld aufzubringen. Sie musste es wenigstens versuchen . Wenn es ihr nicht gelang, konnte sie immer noch zu Andriama gehen. Aber vorher nicht.
Also gut. Fünfhundert Millionen Ariary. Mit einem wachsenden Gefühl der Unwirklichkeit las sie noch einmal die Lösegeldforderung. Die Frist lief bis Montagmorgen um neun. Und es war schon
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