Die Drachenflotte (German Edition)
ich Ihnen die Verbände wechseln?»
«Danke, nein. Therese kommt nachher.»
«Und wie wär’s mit Frühstück?»
«Das wäre ganz wunderbar.»
Als er gegangen war, schob sie ihre Briefe und die Postkarten ihrer Schwester wieder in den Hefter und nahm sich Adams Finanzunterlagen vor. Sie waren eine ungeahnte Überraschung. Sie hatte gewusst, dass er in England Geld hatte, denn er hatte ihren Unterhalt und ihre Studiengebühren in Oxford über ein englisches Bankkonto bezahlt. Aber er war immer so sparsam gewesen, dass sie angenommen hatte, er hätte ständig zu kämpfen. Die Yvette zum Beispiel hatte er selbst gebaut, und der Jeep war uralt. Doch diese Ordner erzählten eine ganz andere Geschichte.
Daniel brachte ihr ein Tablett mit Kaffee, Obstsalat, Toast und Marmelade und stellte es auf den Schreibtisch. «Kann ich sonst noch etwas tun?»
Sie schüttelte den Kopf. «Ich wüsste nicht, was.»
«Und die Suche in den Riffen?»
Sie wies lächelnd auf ihre Verbände. «So kann ich nicht tauchen. Und im Segeln bin ich ein hoffnungsloser Fall.»
«Dann könnte ich doch vielleicht mit der Yvette rausfahren und mich umschauen.»
«Ganz allein? Ist das nicht gefährlich?»
«Ich weiß schon, was ich tue.»
«Ja, dann. Vielen Dank. Das ist wirklich nett.»
«Kein Problem.» Er holte eine seiner Taschen. «Bis später also.»
Rebecca sah ihm nach, als er davonging. Es tat ihr leid, ihm gegenüber nicht ehrlich sein zu können, obwohl offenkundig war, dass er bloß helfen wollte. Aber nicht nur die Entführer hatten Verschwiegenheit verlangt, sondern auch Mustafa. Sie wandte sich wieder der Buchhaltung ihres Vaters zu. Selbst ohne Eden einzurechnen, hatte er mehr als eine Dreiviertelmillion Pfund auf britischen Bankkonten und in Aktiendepots liegen. Außerdem gehörte ihm noch immer ein Haus in Oxford. Auch sein Einkommen war höher, als sie erwartet hatte, und es stammte nicht nur aus Mieten, Dividenden und Zinsen. Der Landseer Trust veranstaltete hier jedes Jahr mindestens zwei Expeditionen mit zwölf bis zwanzig Teilnehmern, die für das Privileg, auf den Riffen und in den Wäldern Studien betreiben zu dürfen, tief in die Tasche greifen mussten. Er hatte ferner verschiedene Fachaufsätze veröffentlicht, ein neues GPS-Ortungsgerät im Feldversuch getestet, sich als Vertreter der einheimischen Kunsthandwerker betätigt und ihre Werke in London und München vertrieben. Und jetzt, da diese Küste bei den Touristen immer beliebter wurde, hatte er angefangen, auch zahlende Gäste aufzunehmen, denen er Tagestouren auf der Yvette anbot und gelegentlich sogar Ausflüge zum Hochseefischen. Alles lag, gewissenhaft dokumentiert und belegt, in diesen Schubladen verwahrt. Jeder, dachte sie, der Zugang zum Haus hatte, hätte sich mühelos über die Vermögensverhältnisse ihres Vaters Kenntnis verschaffen können.
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Kapitel 28
I
B oris richtete sich mit einem Ruck in seinem Bett auf, als er an die Schießerei des vergangenen Abends dachte. Nicht Reue wegen der beiden Männer, die versucht hatten, ihn über den Tisch zu ziehen, setzte ihm zu, sondern die verspätete Erkenntnis, dass er einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte. Er hatte den Dicken mit seinem Messer niedergestochen, bevor die Raging Bull ihm das halbe Gesicht abgerissen hatte, und das Messer dann abgewischt und wieder eingesteckt. Wie hatte er nur so blöd sein können? Mit der Polizei hier war nicht viel los, soweit er das beurteilen konnte, aber selbst diese Nieten würden sich fragen, wohin das Messer verschwunden war, und zwangsläufig zu der Schlussfolgerung gelangen, dass ein Dritter am Tatort gewesen war.
Er warf das Leintuch von sich, stieg in seine Hose und lief nach nebenan zu Davits Hütte. Die Turteltauben schliefen noch, eng aneinandergeschmiegt und händchenhaltend wie zwei Teenager. Er trat mit voller Wucht gegen das Bett.
«Was ist denn los?», grunzte Davit.
«Wir müssen uns auf die Socken machen.»
Sie zogen das Boot zum Wasser hinunter, verstauten ihre Campingausrüstung, die Nahrungsmittel und was sie sonst noch bei sich hatten und brachten den Außenbordmotor an. Davit half Claudia zu ihrem Platz, dann schoben er und Boris das Boot durch die Brandung hinaus und kletterten hinein, jeder auf einer Seite, damit es nicht kenterte. Unter der ganzen schweren Ladung sank es dennoch tief ins unruhige Wasser.
«Vielleicht sollten wir Claudia lieber hierlassen», meinte Davit.
«Vielleicht sollten wir dich
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