Die Drachenflotte (German Edition)
waren mit wasserdichten Schotten ausgestattet gewesen, um leichtere Beschädigungen des Rumpfs überstehen zu können. Aber selbst wenn es gelungen wäre, das Schiff wieder flottzumachen, hätte es, in Finsternis gehüllt oder von einem Sturm hin und her geworfen, schwer beschädigt und schnell Wasser fassend vor dem Riff gelegen und sich der verzweifelten Suche nach einer Passage stellen müssen, wenn es nicht sinken wollte.
Einer Passage wie dieser hier.
III
Rebecca ging Therese entgegen. Michel lächelte sie an, als sie ihn auf den Arm nahm, und sein Lächeln versetzte ihr Herz in seltsame Bewegung. Sie gingen zusammen in die Ambulanz und legten die beiden Säuglinge in zwei gleiche Gitterbettchen aus Holz. «Du hast wohl nicht zufällig Patientenunterlagen für Adam und Emilia?», fragte sie
«Doch, natürlich», antwortete Therese. «Wozu denn?»
«Die Polizei hat auf dem Boot Blutspuren gefunden. Sie wollen prüfen, ob das Blut von Adam oder Emilia stammt.»
Therese warf ihr einen erschrockenen Blick zu, sah aber dann, ohne eine Wort zu sagen, eine Schublade mit handgeschriebenen Karten durch und schrieb Rebecca die Daten auf. «Okay», sagte sie und wies auf den Untersuchungstisch. «Jetzt zeig mir die Arbeit von deinem Freund.»
Rebecca überließ sich bedenkenlos Thereses Fürsorge. Viele Madagassen hatten Mühe mit der westlichen Medizin, denn man glaubte weithin, viele Krankheiten würden durch gris-gris verursacht, bösen Voodoo-ähnlichen Zauber und Verwünschungen, die nur mit Gegenzauber abgewehrt werden konnten. Aber Therese hatte die Grundlagen von Beginn an verstanden und war mit den Jahren immer kenntnisreicher und tatkräftiger geworden.
«Das von Korallen?», fragte sie, als sie das Ausmaß von Rebeccas Verletzungen sah. «Du zu lange weg, wenn du vergessen, dass Korallen gefährlich.»
«Ja.»
«Warum du so lange weg? Warum so grausam gegen deinen Papa und deine Schwester? Du vielleicht deiner Familie und Freunden gern weh tun?»
«Ich hatte nie Zeit, wieder herzukommen.»
Therese prustete geringschätzig. «Aber jetzt du haben Zeit. Jetzt zu spät. Du deinem Papa Herz gebrochen. Erst Mama, dann du. Alle, die er lieben, gehen fort.» Sie entfernte den Verband um Rebeccas Hand und schaute sich die vielfarbige Bescherung darunter an. Doch dann nickte sie beifällig. «Guter Doktor, dein Freund», sagte sie. «Wo er lernen so gut pflegen?»
«Er hat selbst einige schlimme Verbrennungen», antwortete Rebecca. «Vielleicht hat er an sich selbst gelernt.»
«Verbrennungen?», fragte Therese verblüfft. «Wo?»
«An Schultern und Rücken. Warum?»
«Nur so.»
Rebecca war nicht überzeugt, aber sie sagte nichts, sah schweigend zu, während Therese ihre Wunden säuberte, Wundsalbe auftrug und frische Verbände anlegte. «Ich morgen wiederkomme, ja?», meinte sie, als sie fertig war
«Nein, morgen nicht», entgegnete Rebecca. «Da bin ich nicht hier. Übermorgen.»
Therese machte ein tadelndes Gesicht, aber sie kannte Rebecca wohl zu gut, um ihr zu widersprechen. Sie holten die Kinder aus den Bettchen, und Rebecca vertraute Michel wieder Thereses Obhut an, bevor sie sie hinausbrachte. Dann kehrte sie an den Schreibtisch ihres Vaters und zu seinem Brief an Yvette zurück.
Genug der Melancholie. Jetzt ist der Klatsch an der Reihe. Pierre ist natürlich unser häufigster Gast, dem Leben und sich selbst gegenüber so hilflos wie eh und je. Wenn etwas passiert, sitzt er nur da und zieht die Augenbrauen hoch. Neulich hat er bei einer Druckerei in Toliara farbige Broschüren bestellt, und jetzt will er sie nicht bezahlen, weil zwei der Bilder ein bisschen unscharf sind. Ich bitte dich! Ich weiß, ich sollte strenger mit ihm sein, aber er ist ein Kind und amüsante Gesellschaft, und es ist schwer, ihn für die Dummheiten, die er begeht, zur Verantwortung zu ziehen.
Therese hat mich gebeten, dich von ihr zu grüßen. Sie hat inzwischen auch ihr Kind, es wurde Xandra Yvette getauft, nach dir. Ich bete jeden Abend darum, dass dieses Kind endlich am Leben bleibt. Therese ist eine wunderbare Person, absolut selbstlos. Immer wenn Emilia und ich mit dem Boot rausfahren, kümmert sie sich um Michel. Und sie will sich dafür ebenso wenig bezahlen lassen wie für ihre Arbeit in der Ambulanz. Aber hinterher kommt dann Pierre hier an und holt den Lohn für sie.
Ich fahre häufiger, als mir lieb ist, nach Toliara. Wenn ich könnte, würde ich nur in Eden bleiben. Ich bin wie dieser Baumfrosch, der das Quaken
Weitere Kostenlose Bücher