Die Drachenflotte (German Edition)
seiner eigenen Genossen nicht ausstehen kann. Unser Freund Mustafa Habib spürt mich unweigerlich innerhalb von Minuten auf. Sein Nachrichtendienst arbeitet wie kein anderer. Er hat Emilia und mich sogar zum Mittagessen in seinen fürchterlichen Palast geschleppt und mich dann den ganzen Tag bearbeitet, dass ich ihm doch erlauben solle, in Eden zu investieren, damit Ahdaf für ein so nobles Unternehmen arbeiten könne. Wenn ich ihm sage, dass er mit dem Falschen redet, glaubt er mir nicht.
Es folgten drei weitere Seiten, in denen von Leuten berichtet wurde, die sie nicht kannte oder an die sie sich kaum erinnerte. Als sie mit der Lektüre fertig war, las sie die anderen Briefe im Ordner, jeweils zu Yvettes Todestag geschrieben. Adams fortdauernde tiefe Liebe zu seiner vor fünfzehn Jahren verstorbenen Frau war außergewöhnlich und bewegend. Für die Verhaltensforscherin Rebecca war es beinahe so etwas wie eine anerkannte Wahrheit, dass Liebe nichts anderes war als eine Adaptation, um ein Männchen und ein Weibchen so lange aneinander zu binden, dass sie sich fortpflanzen und die Nachkommen aufziehen konnten. Für die Tochter jedoch war es schwer, an dieser Auffassung festzuhalten. Es gibt eine Seeteufelart, bei der sich die Männchen körperlich in die Weibchen einbetten und in jeder Hinsicht – Nahrungsaufnahme, Überleben, Fortpflanzung – von ihnen abhängig werden. Adam war ihr manchmal so vorgekommen, so uneingeschränkt hatte er sich und seine frühere berufliche Karriere seiner Ehe untergeordnet.
Als sie noch kleine Mädchen gewesen waren, hatten Rebecca und Emilia von ihren Eltern immer wieder hören wollen, wie sie sich das erste Mal begegnet waren und ineinander verliebt hatten. Adam war ein typischer Hagestolz gewesen, der bei dem Gedanken an eine Ehe nur lachen konnte. Bis er zu Filmaufnahmen nach Madagaskar reiste und feststellte, dass er für seinen Abstecher in den Südwesten einen Dolmetscher brauchte. Man empfahl ihm Yvette, die damals an der Internationalen Schule in Toliara Sprachen unterrichtete. Und er hatte es auf den ersten Blick gewusst. Er brachte kaum einen Ton heraus, wenn er mit ihr reden wollte. Es war so schlimm, dass sie ihn für geistig behindert hielt. (Sie fragte sogar seinen Produzenten, wieso ein so angesehenes und finanzstarkes Unternehmen wie die BBC ausgerechnet einem solchen Idioten diese Sendung anvertraute.) Er konnte weder schlafen noch essen. Mit seinen Patzern brachte er seine Crew an den Rand des Wahnsinns. Nach gerade einmal vier Tagen machte er ihr einen Heiratsantrag. Sie bekam einen Lachanfall, sagte, er sei ein komischer Mann (an der Stelle hatten sie sich jedes Mal kaputtgelacht) und außerdem werde sie Madagaskar niemals verlassen. Adam kehrte liebeskrank nach England zurück und wartete darauf, dass er über sie hinwegkommen würde, wie man immer so schön sagte. Aber die Zeit verging, und es war nur schlimmer geworden. Das ganze Leben verlor seinen Sinn. Erfolg und Ruhm wurden unwichtig. Er wurde ernstlich krank. Am Ende gab er klein bei. Er gab seinen Posten an der Universität auf, pfiff auf seine Fernsehkarriere und flog zurück nach Madagaskar.
Einen Monat später heirateten sie.
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Kapitel 30
I
D ie Meeresregion vor den Riffen von Eden zeigte sich außergewöhnlich vielgestaltig. Sein zweiter Tauchgang führte ihn durch Felder von Seegräsern zu einem spektakulären Korallengarten, in ein farbenprächtiges Unterwasserreich, wo riesige Schwärme von Lippfischen, Kaiserfischen und Falterfischen wogten wie leuchtende Tücher im Wind, als er zwischen ihnen hindurchschwamm.
Sein dritter Tauchgang war wieder ganz anders. Wie ein Felslabyrinth lag der Meeresgrund unter ihm, als wären die Canyons und Schluchten eines Wildwestfilms von Wasser verschlungen worden. Er schwamm eine Weile durch diesen Irrgarten bis zum Ende eines Grabens, wo der Meeresgrund beinahe vertikal abfiel; er hatte die Schelfkante erreicht. Einige Minuten schwamm er in nördlicher Richtung an ihr entlang, als er im tiefen Wasser zu seiner Linken das grelle Orange einer Schwimmweste bemerkte. Aber als er näher glitt, zeigte sich, dass es nur ein Bündel von vier Bojen war, von einem Kabel festgehalten, das irgendwo in den Tiefen verschwand. Es war höchstwahrscheinlich ein sogenanntes fish aggregating device , ein Gerät, mit dem man große Fischschwärme anlocken konnte. Er hatte von diesen Dingen gelesen, aber nie eines gesehen. Meeresbiologen verwendeten sie
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