Die Drachenflotte (German Edition)
gelegentlich. Sie befestigten ein Ende eines langen Kabels an einem Bündel schadhafter Lkw-Achsen und das andere an irgendeinem Schwimmkörper, dann brachten sie die ganze Vorrichtung aufs offene Meer hinaus und warfen sie ins Wasser. Die Achsen sanken zum Meeresgrund hinunter, während die Bojen an der Oberfläche blieben, und dazwischen spannte sich das Kabel. Dann wuchsen Algen auf dem Kabel und lockten Schwärme von Algenfressern an, die ihrerseits größere Fische anzogen. Den Meeresbiologen bot sich damit ein fester Ort, an dem sie die wechselnden freilebenden Fischpopulationen beobachten konnten, und den einheimischen Fischern ein Jagdrevier, wo sie ihrem Gewerbe nachgehen konnten, ohne das Riff zu schädigen.
Diese Anlage hier funktionierte bestens. Das Kabel unter ihm war umgeben von vielfarbig schillernden Schwaden kleiner Fische und den größeren Schatten der Räuber, die sie jagten. Ein junger Weißspitzen-Riffhai bemerkte ihn und näherte sich ihm träge, eher neugierig als drohend. Er wich in die relative Sicherheit flacherer Gewässer aus.
Als er durch die Schluchten zurückschwamm, erreichte er eine Stelle, die einer Abfallhalde glich, wo Gezeiten und Strömungen im Lauf der Jahrhunderte große Mengen Schutt zusammengetragen hatten. Er schwamm Zentimeter darüber hinweg, sorgsam darauf bedacht, keine Sedimente aufzuwirbeln, und suchte nach Artefakten. Sehr bald entdeckte er mehrere Porzellanbruchstücke und Keramikscherben, die er allerdings niemals bemerkt hätte, wenn er nicht gezielt gesucht hätte. Sie lagen beinahe perfekt getarnt unter alten Muschelschalen, toten Korallen, Knorpeln und Knochen. Aber ein Wrack fand er nicht, und auch keine Spur von Adam oder Emilia. Der Tag war bald zu Ende, und er war mit seiner Suche kaum weitergekommen.
Das Suchgebiet war für ihn allein zu groß, so viel stand fest. Er brauchte Hilfe. An Bord der Maritsa waren fünfzehn Taucher, die wie besessen nach einem Wrack suchten, aber sicherlich am falschen Ort. Er musste sie hier herunterholen. Doch bevor er das Miles überhaupt vorschlagen konnte, musste er mit Rebecca reden.
Er konnte sie nicht länger belügen. Es war Zeit, ihr zu sagen, wer er war.
II
Adam hatte Hunderte privater Fotos auf seinem Computer gespeichert und weitere auf einer Reihe von CDs in seinen Regalen. Rebecca begann sie zu durchforsten, um zu sehen, ob irgendwelche davon als Basis für das Erpresserfoto verwendet worden waren. Sie fand nichts auch nur im Entferntesten Ähnliches, aber sie fand sich gefesselt von der Familiengeschichte, an der sie in den letzten elf Jahren keinen Anteil gehabt hatte; nicht an den Freuden und Schmerzen, nicht an den Begegnungen und Abschieden.
Als sie mit den CDs durch war, nahm sie sich seine alten Fotoalben vor. Ihre Hand zitterte ein wenig, als sie das Album des Jahres herauszog, in dem sie nach England gegangen war. Bald schon stieß sie auf das erste Bild von sich, Arm in Arm mit Emilia auf der Veranda. Danach folgten reichlich Aufnahmen von ihr: allein, mit Emilia, mit ihrem Vater; im Wald und am Strand. Sie konnte nicht glauben, wie glücklich sie aussah. Fotoalben litten natürlich meistens an Einseitigkeit, da man nur die Fotografien behielt, die einem gefielen. Dennoch fiel es ihr schwer, diese strahlenden Bilder mit ihren düsteren Erinnerungen in Einklang zu bringen.
Sie packte die Alben weg und begann, für den folgenden Morgen zu planen. Nachdem sie Benzin und Öl in den Jeep nachgefüllt hatte, überlegte sie, was sie sonst noch brauchen würde. Eine Tasche für das Geld, obwohl Mustafa wahrscheinlich selbst eine hatte. Die Vorstellung, es so einfach zu übergeben, bereitete ihr heftigen Widerwillen. Es ging nicht allein um das Geld, sie hasste es, betrogen zu werden. Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe …
Ihr fiel plötzlich etwas ein, und sie lief stirnrunzelnd zum Schreibtisch ihres Vaters zurück. In seiner Einkommensaufstellung vergewisserte sie sich noch einmal, dass er ein GPS-Gerät für die Wildtier-Telemetrie getestet hatte. Sie ging von Zimmer zu Zimmer und fand schließlich in einem Schrank in der Ambulanz zwei Kartons, der eine voll, der andere leer. Der Sender war ein schmaler weißer Zylinder von etwa fünf Zentimetern Länge, einer Zigarette ohne Filter ähnlich. Der Tracker, das Ortungsgerät, war sperriger und hatte ein Display. In dem Karton lagen außerdem ein Halsband, ein Geschirr und Klebstoff zur Befestigung des Senders am Objekt sowie eine Gebrauchsanleitung in
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