Die Drachenflotte (German Edition)
Wasserschwall über den Bug schwappte und ihn nass machte.
«Tut mir leid», sagte Davit.
«Dafür kann ich mir nichts kaufen. Hör einfach auf damit.»
«Nicht meine Schuld.» Davit zuckte mit den Schultern. «Dann müssen wir eben langsamer fahren.»
Boris sah ihn zornig an, aber Davit dachte nicht daran, klein beizugeben. Bestimmt nur wegen der Kleinen, die er im Arm hielt, er wollte sie beeindrucken. Boris ärgerte sich immer mehr über sie, nur leider änderte das nichts daran, dass er unheimlich scharf auf sie war. Sie hatte ein knielanges weißes Kleid an und nichts als ein Höschen darunter, und das Wasser, das auch sie immer wieder traf, hatte den Stoff durchsichtig gemacht. Er dachte daran, wie sie ihn trotz seines großzügigen Angebots hatte abblitzen lassen, und seine Wut steigerte sich noch. Der musste mal jemand zeigen, wo es langging.
Er faltete seine Karte auseinander und prüfte ihre Position im Vergleich zu den flachen kleinen Inseln, die wie umgedrehte Austernschalen auf dem Wasser lagen. Sie kamen nur quälend langsam voran. Wenn das so weiterging, würden sie niemals bis zum Abend nach Eden kommen oder auch nur in die Nähe davon. Und wenn sie es heute Abend nicht mehr schafften, mussten sie früher Pause machen, um noch vor Einbruch der Dunkelheit die Zelte aufschlagen zu können. Er steckte die Karte ein und ließ seinen Blick wieder zu Claudia schweifen. Unter ihrem Kleid, das ein wenig hochgerutscht war, sahen ihre Schenkel hervor. Er leckte sich die Unterlippe.
Der Bug ihres Bootes tauchte erneut in eine Welle, dass es spritzte. Wütend sah er Davit an. Der spielte den Unschuldsengel und hob entschuldigend eine Hand, aber Boris war ja nicht blöd.
Er freute sich schon darauf, ihm Claudia auszuspannen. Und wie.
II
Knox segelte zu einer etwa dreißig oder vierzig Meter entfernten Stelle hinaus, die auf Adams Karte mit mehreren Symbolen gekennzeichnet war, warf Anker, prüfte seine Geräte und stieg in seinen Anzug. Solotauchen mit einem Rebreather gewöhnte man sich besser nicht an, aber solange er sich diszipliniert verhielt, immer wieder seine Geräte überprüfte und Pausen einlegte, konnte ihm nichts passieren. Er warf sich rückwärts über den Rand und schlug klatschend ins Wasser. Es war kalt, aber die Sicht war hervorragend, obwohl es dunkler wurde, als er tiefer ging. Der Meeresgrund war hier reich an Hirn- und Geweihkorallen, aber es war unmöglich zu sagen, für welche im Besonderen Adam sich interessiert oder warum er gerade dieses Gebiet auf seiner Karte gekennzeichnet hatte. Er schwamm in einem immer weiter werdenden Kreis um die Yvette herum, bevor er fand, er habe genug gesehen, und den Aufstieg begann.
Die Sonne stand hoch. Er öffnete den Reißverschluss seines Taucheranzugs, um ihre Wärme besser genießen zu können, setzte sich mit einer Flasche Wasser aufs Deck und sah den Wellen zu, die sich friedlich, doch beharrlich auf den Riffen brachen, wie sie das Tag für Tag seit Jahrhunderten taten. Seit Jahrtausenden.
Die Winterton hatte drei Tage auf diesen Riffen gelegen, bevor sie auseinandergebrochen war. Drei Tage . Wie mussten sich die Seeleute und die Passagiere gefühlt haben, die Gott um einen Platz in einem der wenigen, zwischen Wrack und Küste pendelnden Rettungsboote oder einem der zu Hilfe geeilten Fischerboote anflehten, während ihr Schiff langsam unter ihnen zerbrach. Sie hatten natürlich versucht, es zu retten, und sofort nach dem Aufprall alles über Bord geworfen, um Gewicht zu verringern und es so wieder frei zu bekommen.
Er beugte sich ein wenig nach vorn. Jeder Seemann würde instinktiv als Erstes versuchen, sein Boot wieder flottzumachen, wenn es auf Grund gelaufen war. Ob es auf dem chinesischen Schiff auch so gewesen war? Er schloss die Augen, um sich besser vorstellen zu können, wie dieser Koloss, auf dem nächsten Weg vom Kap in die Heimat, seinen Kiel knirschend auf dieses Riff gesetzt hatte. Über das Ausmaß des Chaos und der Panik konnte er nur spekulieren. Ein Schiff dieser Größe zu befehligen, war schon unter normalen Bedingungen schwierig, aber ungleich schwieriger nach einer Riffkollision, besonders wenn sie sich, wie das meist der Fall war, bei Nacht oder bei Sturm ereignete. Doch die Matrosen wussten auch ohne ausdrücklichen Befehl, was zu tun war: Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, über Bord werfen, um das Schiff zu leichtern und so den Tiefgang zu verringern und es wieder in Fahrt zu bringen.
Chinesische Schiffe
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