Die Drachenjägerin 1 - Winter, M: Drachenjägerin 1
der sie um zwei Haupteslängen überragte, schüttelte verächtlich den Kopf. » Ich kämpfe nicht gegen kleine Mädchen«, knurrte er.
» Du kämpfst, mit wem ich will«, bestimmte der Büttel.
» Vielleicht«, warf Linn ein, » mögt Ihr jetzt ja doch selbst kämpfen. Worlin gegen Rinek, das hat ziemlich ausgeglichen ausgesehen. Ebenso ausgeglichen und fair würde es aussehen, wenn Ihr gegen mich antretet.«
» Was?« Der Beamte schnaubte ungläubig. » Ich soll gegen ein dreckiges Bauernmädchen kämpfen? Ich habe nicht vor, ein flohverseuchtes Gör anzufassen.«
Linn spürte die Menge dicht hinter sich, den Zorn und die Furcht der anderen.
» Armdrücken«, sagte sie und versuchte, mutig und unerschrocken zu klingen. Sie umklammerte den Stein so fest, als könnte sie Öl und Glück herauspressen. » Ich wasch mir auch vorher die Hände, versprochen.«
Gegen den Knecht hatte sie keine Chance. Aber der Büttel war nicht größer als sie, schlank wie ein Gelehrter und tat wahrscheinlich kaum mehr, als Steuern einzutreiben und Zahlen in seine Rolle zu schreiben. Das – und die Hilfe des Wettsteins – ließ sie daran glauben, dass sie vielleicht tatsächlich gewinnen konnte. » Oder habt Ihr Angst?«
» Treib es nicht zu weit«, sagte der Büttel, Eiseskälte in der Stimme, » oder du landest im Kerker, genau wie dein Bruder.«
Sie schaute ihm trotzig in die Augen und hoffte, dass niemand merkte, wie ihre Knie zitterten. » Nun? Ihr legt keine Ehre ein, wenn Ihr mich von diesem Riesen hier verdreschen lasst.«
» Was weißt du schon von Ehre«, höhnte der Büttel und schwang sich aus dem Sattel. » Man sollte dich auspeitschen und dir zeigen, wo für dich und deinesgleichen der rechte Platz ist.«
Er kam auf sie zu, und sie musste sich zwingen, nicht zurückzuweichen. Sie hasste ihn mit ganzer Kraft. Aus den Augenwinkeln verfolgte sie, wie Rinek auf den Wagen gezerrt wurde. Mit Gewalt schluckte sie die Tränen hinunter, die Schreie, die in ihr aufsteigen wollten, den Wunsch, dem Büttel an die Kehle zu springen.
» Können wir jetzt endlich beginnen?« Sie wollte es hinter sich bringen, aber vielleicht brauchte der Stein auch länger, um sich auf sie einzustimmen. Was wusste sie schon von magischen Gegenständen? Wenn sie wirklich eine Prophetin gewesen wäre, hätte sie dies hier vorausgesehen und Rinek warnen können. Aber sie konnte nur Drachen sehen. Eine nützliche Begabung, fürwahr!
Der Büttel packte ihre rechte Hand. » Schön dreckig«, spottete er. » Und die andere?«
Linn ballte die Faust. » Zum Armdrücken brauche ich nur die eine Hand.«
» Zeig her.« Mit Gewalt zwang er ihre Finger auf und klaubte den Stein aus ihrem Griff. » Ha, hab ich’s mir doch gedacht! Ein Wettstein. Warum sonst sollte ein dummer Bauerntölpel auf die Idee kommen, mich herauszufordern? Oder seine nicht minder törichte Schwester?« In weitem Bogen schleuderte er den Stein fort. Entsetzt blickte Linn ihm nach.
Der Büttel zog sie dicht an sich heran. » Nun, bist du immer noch so mutig? Ich gebe dir die Chance, jetzt aufzuhören. Geh nach Hause an den Herd, wo du hingehörst.«
» Nun hat es sowieso keinen Zweck«, sagte Merok mit erstickter Stimme. » Er hat recht, Linni, lass uns heimgehen.«
» Das ist Rineks Wettstreit, und ich führe ihn zu Ende«, beharrte sie. Obwohl sie am liebsten weinen wollte. Obwohl sie sich umdrehen und im Gras nach dem verlorenen Stein suchen wollte, ihrer einzigen Hoffnung.
» Linni, bitte, hör auf!«, flehte Merok.
» Nein«, widersprach sie. » Er ist nur ein Schreiber. Ich kann ihn trotzdem besiegen. Ich habe den Stein in der Hand gehalten – das wird ausreichen.«
» Dann wollen wir mal. Unser verehrtes Publikum wartet. Wohin gehen wir? Ins Gasthaus?«
Linn schüttelte wild den Kopf. » Nein«, sagte sie. » Hier, vor aller Augen, wo Ihr nicht mogeln könnt.«
Er lachte. » Hier, wo alle mitbekommen, wie du dich und die gesamte verfluchte Familie Lester in Verruf bringst? Holt einen Tisch und zwei Bänke. Eilt euch.«
Ein paar Männer liefen davon und schleppten das Gewünschte aus der Gastwirtschaft herbei. Sobald sie die Möbelstücke aufgestellt hatten, nahmen Linn und der Büttel einander gegenüber Platz. Die Briner zogen den Kreis um die beiden enger, um nur ja nichts zu verpassen.
Der Beamte spuckte ins Gras und stellte den Ellbogen auf.
» Muss man nicht erst die Namen tauschen?«, fragte sie.
Er zuckte die Achseln. » Wenn’s beliebt, Fräulein
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