Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
war.
» Fehlen ihm Finger?« Nival kroch näher.
» Nur – einige Fingernägel«, sagte Rinek mit belegter Stimme.
20
» Bei Arajas, wer tut so etwas?«, rief Rinek. » Warum? Was ist nur los in dieser verdammten Stadt?«
» Das frage ich mich auch.« Mühsam rappelte Nival sich auf. » Leider können wir uns bei keinem von denen hier erkundigen. Bei Barradas, ich habe Euch doch gesagt, Ihr sollt den Kerl auf der Straße nicht aus den Augen lassen!«
» Eben schien mir noch, als wärt Ihr recht zufrieden damit, dass ich hier aufgetaucht bin«, sagte Rinek, aber er klang alles andere als selbstgefällig. Mit vor Entsetzen grauem Gesicht untersuchte er seinen Freund.
» Wie habt Ihr das gemacht? Ich habe gar nicht gehört, dass Ihr gekommen seid.« Nivals Blick fiel auf das Holzbein, das, wie er jetzt erst bemerkte, mit dem Umhang des Briners umwickelt war.
» Ich wollte mich unauffällig anschleichen«, erklärte Rinek und legte die Hand auf Yaros Stirn, der leise ächzte.
» Du meine Güte«, murmelte Nival, » Unter einem Müller habe ich mir jemanden vorgestellt, der sanft und gutmütig ist.«
Rinek warf ihm einen scharfen Blick zu. » Woher wisst Ihr, dass ich Müller bin? Ihr kennt mich doch überhaupt nicht. Warum dachtet Ihr, ich könnte nicht zuschlagen? Wie kann einen jemand überraschen, von dem man nichts weiß?« Aber dann fügte er hinzu: » Gut, ich gebe zu, Ihr seid ebenfalls eine Überraschung. Ich habe Euch für einen kleinen Gauner gehalten, der hinter unserem Geldbeutel her ist, stattdessen stürzt Ihr Euch hier ins Gefecht wie ein Krieger.«
» Mein Freund …«
» Yaro! Du bist wach?«
» Oh ihr Götter«, stöhnte Yaro. » Er hat mich seinen Freund genannt.«
Rineks Gesicht schien zu glühen, vor Misstrauen, Angst und Sorge. » Wer seid Ihr? Mittlerweile fällt es mir schwer zu glauben, dass all das hier inszeniert ist, um unser Vertrauen zu erringen. Bei uns ist nichts zu holen. Das hier sind echte Tote, so wie das Blut an Eurem Kinn echt ist! Was bei Arajas’ Mantel soll das alles bedeuten?«
» Ich kann es Euch erklären, soviel ich selbst weiß, und das ist leider nicht viel«, sagte Nival müde. » Doch dazu haben wir jetzt keine Zeit. Wir müssen hier weg. Wer weiß, wen der Lärm noch alles angelockt hat.«
Rinek packte seinen Stock und tippte Nival damit vor die Brust. Die gebrochenen Rippen protestierten gegen die unsanfte Behandlung, und er stieß einen erstickten Schrei aus.
» Ich gehe keinen Schritt weiter, selbst wenn gleich eine ganze Armee hier antanzt. Wer seid Ihr, Spitzbube?«
» Ein Zauberer«, flüsterte Yaro. » Er hat den Mann dort nur berührt, und er ist auf der Stelle gestorben.«
» Ich bin kein Zauberer«, widersprach Nival. » Keiner von denen hier ist einer, nicht einmal unser unsichtbarer Freund. Aber jemand verteilt gefährliche Zaubermittel an Menschen von zweifelhaftem Charakter. Ich bin nur daran interessiert zu erfahren, wer das tut. Leider habt Ihr den einzigen Zeugen entkommen lassen.«
» Wie heißt Ihr?«, verlangte Rinek zu wissen.
» Heißt mich einen Spitzbuben, wenn Ihr mögt, einen anderen Namen kann ich Euch nicht nennen. Und jetzt kommt, um Barradas’ Esel willen, alles andere muss warten.«
Rinek stieß ein unwilliges Schnauben aus, aber er sagte nichts mehr. Gemeinsam versuchten sie, Yaro hochzuhelfen, was nur gelang, da er wach war und die Zähne zusammenbiss. Sie stolperten durch den Flur in den Hof hinaus. Alles war dunkel und ruhig.
» Keine Wachen?«, fragte Rinek leise. » Was muss man denn noch tun, um sie zum Eingreifen zu bringen?«
» Wachen würden in diesem Viertel nicht lange überleben«, sagte Nival. » Hier entlang. Es ist nicht weit.«
Die Leichen lagen unangetastet auf der Straße – ein gutes Zeichen, denn es bedeutete, dass keine weiteren Bandenmitglieder in der Nähe waren. Unbeteiligte machten meist einen weiten Bogen um alles, was nach Schwierigkeiten roch.
» Wir müssen in die Gasse dort.«
Rinek meldete wieder Zweifel an. » Sollten wir nicht lieber in eine belebtere, hellere Gegend? In unser Gasthaus?«
» Auf keinen Fall! Dort wärt Ihr nicht sicher.«
Nival pochte vorsichtig an die Haustür. Seine Finger schmerzten, er schätzte, dass mindestens einer gebrochen war, und er bezweifelte, dass er das Schloss in diesem Zustand knacken konnte. Vermutlich schliefen alle bereits tief und fest. Doch da erklang Aggas Stimme hinter der Tür: » Macht, dass ihr fortkommt, oder ihr werdet es
Weitere Kostenlose Bücher