Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
konnte. Doch es gelang ihm, sich ein Stück davon in den Mund zu schieben und kauend zu sagen: » Etwas zu salzig. Hast du vielleicht noch ein Schlückchen Tee?«
» Ähm«, meinte Lireck, » habt Ihr nicht gesagt, Frau Mora, dass, äh …?«
Mora starrte ihn an. » Oh Belim!«, murmelte sie. » Nival, das ist … wie hast du das gemacht?«
» Kein Tee? Aber Wasser wirst du doch haben? Agga, wenn es dir nichts ausmacht?« Er streckte die Hand nach dem Becher aus, den ihm das Mädchen mit weit aufgerissenen Augen reichte, und achtete ganz genau darauf, dass man ihm die Schmerzen nicht ansah. » Mein Mund ist etwas trocken. Ich hab vielleicht noch ein paar seltsame Fasern zwischen den Zähnen.«
» Der Knoten war hinter deinem Rücken«, meinte Mora. » Du konntest doch nicht … Bei Belim und Bellius, wie ist das möglich?« Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken und presste die Hand aufs Herz. In ihren Augen schimmerte eine Angst, die ihm wehtat – und ja, ein Teil von ihm freute sich darüber. Da war etwas in ihm, das wollte, dass Mora ihn fürchtete, mehr, als sie irgendetwas anderes je gefürchtet hatte. Hatte sie darüber triumphiert, dass sie, eine kleine Pastetenbäckerin, den Ratgeber des Königs beeinflussen konnte? Dass dieses Werkzeug unberechenbar geworden war, geschah ihr nur recht.
» Mir scheint, du hast mich unterschätzt«, sagte Nival lässig und spülte den Schinken hinunter. Es gehörte nicht zu seinem Plan, auf den Tisch zu brechen oder sich in irgendeiner Weise anmerken zu lassen, in welch übler Verfassung er sich befand. Sobald seine Tante wusste, wie schwach er wirklich war, wie hilflos, wie leicht zu besiegen, war er verloren. Beim nächsten Mal würde sie besser darauf achten, dass niemand ihm helfen konnte.
» Wo ist eigentlich Rinek?«, fragte er. » Ihr lasst ihn doch wohl nicht allein in der Stadt herumlaufen? Du kannst nicht vergessen haben, dass Chamija nach ihm suchen lässt.«
Die Angst in Moras Augen verwandelte sich in Entsetzen. Nival wünschte sich weit fort, aber er konnte nicht aufstehen. Seine langsam auftauenden Gliedmaßen schmerzten so stark, dass er es kaum bis zur Tür geschafft hätte.
Yaro erschien im Durchgang und brachte eine verwirrte Miene zustande. » Oh, platze ich in eine private Unterredung? Dann gehe ich lieber wieder.«
» Bleibt hier«, rief Nival. » Wir nehmen gerade einen kleinen Imbiss zu uns. Danach sollten wir nach Eurem Freund suchen. Er ist doch wohl nicht wieder zur Amtsstube gegangen?«
» Wenn ihn der Amtsherr überhaupt vorsprechen lässt«, meinte Yaro seufzend. » Zwei Passierscheine sind bereits verschwunden – ich fürchte, einen dritten wird er uns nicht ausstellen. Oh, danke.« Er lächelte Agga zu, die vor ihm einen Becher auf die Tischplatte knallte. » Ich habe ihm gesagt, er soll nicht alleine gehen! Ich rate Euch, legt Euch niemals mit diesem Dickschädel an. Ihr glaubt vielleicht, sein Bein sei aus Holz, aber ich fürchte, das runde Ding, das er auf den Schultern trägt, ist nicht minder hart.«
» Findun.«
Der königliche Schreiber sah verwirrt von seinem Buch auf, bis er den Narren auf dem Boden hockend entdeckte.
» Ja?« Das schmale Gesicht des Beamten zog sich noch weiter in die Länge.
» Die beiden Briner. Bringen sie Nachrichten? Bringen sie den Beerenmond, den Kornmond, gar den Drachenmond? Ist ihnen der Sommer auf den Fersen?«
» Sie wollen ins Schloss«, erklärte Findun. Er musste nicht einmal in dem Buch blättern, um herauszufinden, wen Jikesch meinte. » Sie sind Verwandte der Drachenjägerin Linnia.«
» Unsere kleine Berühmtheit«, säuselte der Narr. » Oh, wie könnten wir jemals auf sie verzichten? Was wird sie tun, in ihrem winzigen Dorf? Hühner durch den Staub hetzen und mit einem Beil erschlagen? Wird sie Fallen stellen im Wald und die Soldaten des Prinzen fangen, die in den Provinzen herumschleichen?«
» Was willst du?«, fragte Findun. Er war blass geworden.
Jikesch beobachtete ihn eine Weile, ohne weiterzusprechen. Der Mann hatte so lange zu einem Teil seines Lebens gehört … aber ein Freund war er Nival nie geworden. Findun stand für alles, was Lanhannat ausmachte und was einem freien Gaukler zuwider war: Er vertrat das Gesetz und nahm jeden Buchstaben genau, und wenn ein Sturm kam, würde er nicht in den Wind springen und sich davontragen lassen, sondern sich hinter sein Pult ducken und sein Tintenfass festhalten, damit er keinen einzigen Tropfen verschüttete.
» Wäre es nicht
Weitere Kostenlose Bücher