Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
schönes Gesicht vor sich, spürte ihre Fingerspitzen an seinen Wangen. Dies ist unser Zorn und unsere Nacht …
» Mora!«, brüllte er. » Lass mich hier raus! Das hältst du niemals durch!«
Er holte gerade Luft, um den nächsten Schrei loszulassen, als jemand klopfte.
Irgendwo über ihm. » Ist da wer?« Es polterte, dann fiel auf einmal Licht nach unten, und ein Kopf beugte sich über die Luke. » Wer ist da?«
» Yaro?«, rief Nival. » Yaro, bitte, holt mich hier raus!«
» Nival? Was macht Ihr denn da unten?« Der Briner konnte ihn offenbar nicht sehen, sonst hätte er nicht gefragt: » Habt Ihr Euch aus Versehen eingeschlossen?«
» So in der Art. Habt Ihr eine Lampe und ein Messer?«
» Nicht hier, aber ich kann Mora …«
» Nein!«, rief Nival. » Nein, nicht Mora fragen. Wo ist sie?«
» Draußen im Hof, sie steht mit den Alten zusammen und bespricht irgendetwas, in das ich mich nicht einmischen wollte.«
» Hört mir genau zu, Yaro. Holt die Lampe und das Messer und kommt zu mir nach unten. So schnell ihr könnt. Es eilt. Von den anderen darf keiner etwas mitbekommen, versprecht mir das!«
» Äh – gerne. Dann mache ich die Luke erst mal wieder zu, damit niemandem etwas auffällt. Keine Sorge, ich bin gleich zurück.«
Nival atmete tief durch. Wenn nur seine Tante nichts merkte! Sie glaubte sicher, dass Yaro in der Dachbodenkammer schlief. Rinek ruhte sich bestimmt auf seiner Matte in der Küche aus; nach der anstrengenden Heilung schlief er oft stundenlang wie ein Stein und wachte plötzlich voller Tatendrang auf. Was immer Mora auch vorhatte, sie würde sich beeilen, damit ihre Gäste nichts davon mitbekamen.
Er wartete angespannt, doch Yaro ließ ihn nicht lange bangen. Schon nach kurzer Zeit öffnete sich die Luke wieder, und der Briner stieg mit einer Öllampe in der Hand herunter.
» Bei Arajas!«, entfuhr es ihm. » Ihr seid ja gefesselt!«
» Sieht ganz so aus. Schneidet die Stricke durch, rasch!«
Yaro stellte die Lampe ab, aus deren Schein allerhand Getier flüchtete, und setzte das Messer an. Er arbeitete langsam und vorsichtig – wahrscheinlich taten ihm die Hände immer noch weh, doch Nival konnte keine Rücksicht darauf nehmen. Er rieb sich die schmerzenden Gelenke und war dankbar für Yaros Hilfe beim Aufstehen.
» Fragt nicht«, sagte er. » Wir müssen hier raus. Hat jemand Euch gesehen?«
» Ich glaube nicht«, meinte Yaro, der immer noch so tat, als sei es nichts Besonderes für ihn, seinen Gastgeber aus einem dunklen Kellerloch zu befreien.
» Schiebt die Stricke irgendwo außer Sichtweite … ich möchte meiner Tante gerne ein Rätsel aufgeben. Sie hält mich für einen Entfesselungskünstler, wisst Ihr.«
» Aha«, sagte Yaro. » Wie kommt sie denn darauf?«
» Keine Ahnung. Nehmt die Lampe … und seid leise!«
Er kämpfte sich hinter seinem Retter die steile Leiter hoch ins Innere des Hauses. Yaro rückte den Deckel der Luke zurück an seinen Platz.
» Ihr legt Euch wieder ins Bett, wenn Ihr so freundlich wärt, damit niemand auf die Idee kommt, dass Ihr damit etwas zu tun habt. Ich plane eine kleine Überraschung.«
Yaro grinste. » Zu gerne wäre ich dabei.«
» Oh, wenn wir genug Lärm machen, könntet Ihr geweckt werden und herunterkommen. Aber ich fürchte, meine Tante wird nicht zugeben, was sie getan hat. Sie nimmt es mit der Wahrheit nicht immer so genau, also hütet Euch vor ihren Tees, verstärkt durch irgendwelches geheime Gemurmel.«
Yaro musterte ihn nachdenklich. » Und was ist die Wahrheit?« Er war natürlich zu klug, um an die Geschichte vom missglückten Entfesselungsversuch zu glauben, doch Nival konnte ihm schwerlich offenbaren, worum es wirklich ging.
Deshalb zuckte er nur die Achseln. » Geht schlafen. Der Schnitt da an Eurer Wange sieht schon recht gut aus.«
Er wartete, bis Yaro verschwunden war, dann setzte er sich in die Küche, in der Rinek ausnahmsweise nicht schnarchte. Nival konnte sich immer noch kaum rühren vor Schmerzen, sein Schädel brummte, und innerlich verfluchte er seine Tante samt ihrer Zauberkräfte, ihrer Hinterhältigkeit und ihrer erbarmungslosen Entschlossenheit.
» Und dann müssen wir zusehen, wie wir …« Mora öffnete die Küchentür und kam mit ihren Komplizen aus dem Hof herein. Als sie Nival am Tisch sitzen sah, wo er sich gerade eine Scheibe Schinken absäbelte, blieb ihr der Mund offen stehen.
Ihm war schlecht. Der Geruch des Fleisches verursachte einen Brechreiz, dem er kaum standhalten
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