Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
…?«
Sie baute sich vor ihm auf und starrte ihn kopfschüttelnd an. » Du solltest dir nicht so viele Gedanken über andere machen«, sagte sie streng, » sondern über dich. Wir leben in gefährlichen Zeiten, nirgends ist es sicher. Rinek und Yaro wissen das. Aber du … du bist eine der Gefahren. Ich habe gehört, was auf dem Marktplatz geschehen ist, als die Spielleute hier gewesen sind. Du hattest nicht einmal den Anstand, es mir zu beichten!«
» Mora«, flüsterte er erschrocken, mit Lippen, die sich kaum noch bewegen ließen.
» Du bist eine Gefahr«, sprach sie weiter, » für dich und für uns alle. Nival – wenn du den Namen meines geliebten Neffen überhaupt noch verdienst. Wer bei den dunklen Göttern bist du? Wozu hat dich diese Zauberin gemacht, zu einem Mörder, der Pest und Verderben überall hinträgt? Tote pflastern deinen Weg. Jagian !«
Er wollte widersprechen, sich rechtfertigen, doch da legte sich die Nacht über ihn wie ein dunkler Vorhang, und er merkte nur noch, wie er fiel.
Schwarz. Nival zwinkerte, öffnete die Augen und schloss sie sofort wieder. Kein Unterschied. Es war, als wäre er völlig blind, doch die Frage, ob er vielleicht unvermutet gestorben und in einer wenig attraktiven Ecke des Jenseits gelandet war – hatte irgendjemand nicht gerade eben noch über die dunklen Götter gesprochen? –, verneinte sein schmerzender Körper vehement.
Allerdings, wer wusste schon, wie viel Schmerz es auf der anderen Seite gab, jenseits der Schwelle?
Der Geruch war überraschend vertraut. Mäuse. Muffig und feucht. Die Welt der Götter würde wohl kaum nach Moras Keller riechen. Nein, das ist mein Keller, verbesserte er sich. Fängst du selbst an zu glauben, dies wären Moras Haus und Moras Keller und Moras Kampf? Und Moras Ratten, die dort trippeln? Das sind meine Ratten, wenn ich bitten darf.
Ein bitterer Geschmack im Mund erinnerte ihn an Moras Tee, mit dem er jedenfalls eindeutig nichts zu tun hatte.
Stöhnend versuchte er sich aufzurichten und stellte fest, dass man ihn an Armen und Beinen gefesselt hatte. Daher auch der Schmerz. Immerhin konnte er sich in eine sitzende Position bewegen. Stroh raschelte unter seinen Füßen. Wenigstens hatten sie ihm die Schuhe nicht ausgezogen, und wenn jemand sich näherte … Zorn wallte in ihm auf, heiß und erschreckend, und vor Wut knirschte er mit den Zähnen.
Sie hat recht, sagte die Vernunft in ihm. Du gehörst Chamija. Du hast Linnia verraten, du hast Alasan umgebracht, du kannst ja nicht mal Zeugen übrig lassen, um sie zu befragen, so schnell wirkt deine tödliche Entschlossenheit. Mora muss befürchten, dass du auch Rinek und Yaro ans Messer liefern wirst. Aber sie bringt es nicht über sich, dich zu töten – sonst wärst du nicht hier. Was wird sie tun? Dich hier gefangen halten, damit du nichts Dummes anstellst?
Sein Zorn war stärker als die Vernunft. Verdammt, er war immer noch er selbst, und er konnte entscheiden, was er tat und was nicht. Der König lebte schließlich noch, oder? Auch Linnias Familienmitglieder hatte Nival unter Einsatz seines eigenen Lebens gerettet. Er hatte sogar für Yaro gekämpft! Also was, bitte schön, berechtigte Mora, über sein Schicksal zu bestimmen?
Seine Finger waren klamm und taub und ließen sich kaum bewegen. Wie fest hatten sie ihn verschnürt? Er hätte niemals erwähnen dürfen, dass er sich auf Entfesselungen verstand. Die Tricks, die bei den Spielleuten zur Erheiterung des Publikums dienten, beruhten natürlich darauf, dass man wach war, während man gefesselt wurde, und dafür sorgte, dass dies auf eine bestimmte Weise geschah. Agga – vermutlich war dies hier ihr Werk – hätte ihm wirklich nicht so das Blut abschnüren müssen; er hatte Glück, wenn ihm nicht Hände und Füße abfielen.
» Ich hasse dich, Mora«, murmelte er.
In einer Ecke raschelte es, und etwas huschte erschrocken davon.
» Ich hasse dich!«, schrie er, so laut er konnte.
Sie hätten ihn besser auch noch knebeln sollen. Aber was nützte es, wenn er hier herumschrie? Die schwache Mora hatte ihn zwar betäubt, aber alles andere mit Sicherheit ihren Helfern überlassen. Agga und den Alten. Dabei war es sein Haus. Dies waren seine Leute, zumindest sollten sie es sein, und nicht das Gefolge einer mickrigen, unfähigen Zauberin, die glaubte, Chamija bekämpfen zu können, indem sie ihren eigenen Neffen festsetzte und der großen Zauberin den kleinen Gehilfen entzog.
Wir sind uns gleich … Er sah Chamijas
Weitere Kostenlose Bücher