Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
aufschrien und davontaumelten. Mora schleuderte ihnen die Schürze nach, die sich um die Beine des letzten wickelte und ihn zu Fall brachte. Sofort war sie über ihm, packte ihn am Kragen und schüttelte ihn. » Woher habt ihr das Nachtglanz?«
» Verflucht!«, heulte der Kerl und versuchte, die kleine Frau von sich wegzustoßen.
Sie streckte die Hand aus, und einer zahmen Schlange gleich glitt die weiße Schürze, die in der Dunkelheit leuchtete, zu ihr, folgte einem gemurmelten Befehl und legte sich wie ein Halstuch um die Kehle des Diebes.
» Das Nachtglanz«, wiederholte Mora unerbittlich. » Nenn mir einen Namen, und ich lasse dich am Leben.«
Der andere murmelte etwas.
» Was? Etwas deutlicher bitte.«
» Verreck, du alte Hure!«
» Ah, jetzt habe ich es verstanden. Bist du sicher, dass das alles ist, was du zu sagen hast?«
Der Verletzte schrie zuerst gellend auf, als der weiße Stoff ihn zu würgen begann. Wenig später konnte er nur noch keuchen und husten. Mit beiden Händen zerrte er an der Schürze, doch sie zog sich nur immer fester zu.
» Nachtglanz«, erinnerte Mora. » Wie heißt der Zauberer? Falls du seine Rache fürchtest, lass dir gesagt sein: Alles, was er dir irgendwann mal antun kann, kann ich dir jetzt antun.«
» Ich weiß nicht!«, heulte der Mann endlich. » Er zeigt sich uns nie!«
» War es Schirdan?«, fragte sie. » Schirdan aus der Kesselgasse?«
» Ich habe keine Ahnung. Ja, meinetwegen, er war’s! Hör auf, er war’s!«
Die Schürze schoss in Moras Hand zurück. Der Kerl rang nach Luft, rappelte sich schließlich auf und wankte hustend davon. Seine Freunde erschienen wieder zwischen den Ruinen. » Brauchst du Hilfe?«
» Ich brauche jedenfalls keine!«, rief Mora. » Verschwindet endlich!«
Sie setzte ihnen nach und prügelte sie mit der Schürze durch die Gasse. Schreiend liefen die Männer in alle Richtungen davon; jeder eine Blutspur hinter sich herziehend torkelten sie gegen Hauswände und stürzten über Mauerreste.
» Verzieht euch!«, schrie Mora. » Und wagt es ja nicht wiederzukommen!«
Erst als keiner mehr zu sehen war, kehrte sie vor ihre offene Haustür zurück. » Schirdan also«, murmelte sie. » Dieser Schwachkopf stürzt uns noch alle ins Unglück. – Nival?«
» Ich bin hier«, krächzte er und bemühte sich aufzustehen. » War das klug, Tante Mora?«
» Das frage ich dich«, gab sie zurück. » Du solltest nicht so spät nach Hause kommen, das habe ich dir oft genug gesagt. Ich werde nicht immer zur Stelle sein.«
» Ich kann ganz gut auf mich selbst aufpassen – wenn meine Gegner nicht mit magischen Mitteln ausgestattet sind. Was wirst du wegen Schirdan unternehmen?«
» Ihm einen Besuch abstatten – ganz freundlich, unter Kollegen. Verdammt, er ist mein wichtigster Lieferant.«
» Meiner auch«, knurrte Nival. » Die beste Tinte in Lanhannat.«
Schirdan war nicht nur ein Zauberer. Der hagere alte Mann, der so auffällig groß war, dass er in den meisten Häusern mit dem Kopf gegen die Decke stieß, war einer der wichtigsten Händler in der Stadt. Diverse Farben zum Einfärben von Stoffen bis hin zu den Lacken, die Töpfer und Tischler benötigten, bekam man in seinem Laden. Von Kaufleuten aus den Freien Städten bezog er kostbare Wurzeln und Beeren, aus denen er kräftige, reine Farb- und Duftstoffe herausfilterte. Darüber hinaus vertrieb er äußerst geheime und verbotene Substanzen. Nival hätte sich jedoch nicht träumen lassen, dass er auch das geächtete Nachtglanz herstellte.
Mora reichte ihm die Hand und zog ihn hoch. Beim Anblick seines schmerzverzerrten Gesichts schüttelte sie den Kopf. » Bei Arajas, brauchst du schon wieder eine Behandlung? Ich habe bald keine Salben mehr.« Er stützte sich schwer auf sie und humpelte an ihrer Seite ins Haus.
Warmes Licht verbreitete eine heimelige Atmosphäre, auf dem Tisch warteten eine Teekanne und ein Teller mit Rosmarinfladen.
Stöhnend ließ Nival sich auf das Bett fallen.
» Es ist nicht sicher um diese Nachtzeit«, schimpfte Mora. » Bei Belim, wann nimmst du endlich Vernunft an? Du bist nicht unsterblich!«
» Ich weiß«, seufzte er. » Ich konnte nicht früher kommen. Pivellius geht immer später schlafen.«
» Dann bleibst du eben im Schloss, wenn es zu spät wird.«
» Soll ich dich wirklich hier allein lassen?«
Mit geübten Handbewegungen zog sie ihm den Mantel aus, schob sein Obergewand hoch und untersuchte seinen Rücken. » Eine Stichwunde. Tief. Sehr tief, um
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