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Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2

Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2

Titel: Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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stören.
    Jikesch öffnete den Deckel seiner Kleidertruhe und stieg hinein. Erst als er ihn wieder über sich geschlossen hatte, löste er den Riegel der hölzernen Seitenwand und rollte sich durch das Loch in einen schmalen Gang hinein. Mehrere Meter krabbelte er lautlos zwischen zwei hohen Wänden hindurch – die Glöckchen an seiner Mütze klingelten kein einziges Mal –, um eine Ecke und berührte schließlich die Rückwand eines großen Schranks, die sich ohne ein Geräusch zur Seite schieben ließ. Gewandt schlüpfte er durch die freigelegte Öffnung, spähte vorsichtshalber durch die Ritze zwischen den Türen und kletterte dann aus dem Schrank in ein Zimmer, in dem außer diesem wuchtigen Möbelstück noch ein Schreibpult, ein Tisch mit einer Waschschüssel und einem Spiegel sowie ein schmales Bett standen. Auf einem hohen Wandbord stapelten sich Tintenfässer und geschlossene Tiegel, die Zutaten für Tinte und Farben enthielten – und das eine oder andere nützliche Pulver.
    Jikesch zog die Handschuhe aus, nahm die Mütze ab und fuhr sich mit den Händen durch das goldblonde, strähnige Haar. Im Spiegel blickten ihn müde graue Augen an. » Willkommen zurück«, murmelte er und holte eine kleine Flasche vom Bord herunter. Er entkorkte sie, schüttete sich ein paar Tropfen in die Hand und wischte sich damit über das Gesicht.
    Sofort zerfloss die weiße Farbe, die ihm das maskenhafte Aussehen verlieh. Mit einem weichen Tuch tupfte er sich über die Lider und den Mund und entfernte mit geübten Handbewegungen die letzten Farbreste. Der Mann im Spiegel wirkte erschöpft. Seine Haut, an die selten ein Sonnenstrahl herankam, war unnatürlich blass. Ohne die schwarz gezeichneten Brauen war das Gesicht unauffällig; niemand hätte sich nach ihm umgedreht. Es gehörte einem jungen Mann Anfang oder Mitte zwanzig – sein Alter war schwer zu schätzen.
    » Und wieder ein Tag um«, flüsterte er seinem Spiegelbild zu. » Keine schlechte Bilanz. Der König gesteht einem Mädchen zu, zauberhaft zu sein. Vielleicht nimmt er morgen schon das Wort › Magie‹ in den Mund, ohne einen Anfall zu erleiden. Wir kommen langsam weiter, Jikesch, du und ich.«
    Außerdem habe ich dafür gesorgt, dass Linnia auf Drachenjagd geht. Zu früh. Oh Barradas, ich hätte mir lieber die Zunge abbeißen sollen, als das zu tun.
    Er versuchte, seine widerspenstigen Haare zu glätten. Aus dem engen Narrenkostüm herauszusteigen wäre einem weniger gelenkigen Menschen schwergefallen, doch auch wenn der Narr verschwunden war, bewegte sich der andere Mann mit derselben Anmut und Flinkheit. Er befreite sich aus dem violetten Anzug, hängte ihn in den Schrank und schlüpfte in die Kleider, die dort bereithingen. Die schlichte, dunkle Tunika eines königlichen Beamten. Im dazugehörigen grauen Mantel sah sein Gesicht noch blasser aus. Die gebogenen Narrenschuhe hatte er gegen einfache Halbstiefel aus dunklem Leder eingetauscht. Er kniff die Lippen zusammen, hob ein dickes Buch, das einen ganzen Stapel loser Seiten zusammenhielt, vom Tisch und schloss die Tür auf. Durch einen schmalen Spalt spähte er hinaus, und erst als er sich ganz sicher war, dass nicht etwa Chamija vor der Schreibstube lauerte, trat er in den stillen, dunklen Flur hinaus. Unsinn. Sie ist bei Ukios, wie ich es ihr geraten habe, und ahnt nichts. Sie kann das nicht wissen.
    Trotzdem war er nervös wie selten, und bevor er um die Ecke bog, warf er einen raschen Blick nach allen Seiten. Danach erst wagte er sich in das Licht der Öllampen, die den mannshohen Gemälden an den Wänden Geltung verschafften. Der Wachmann am Ende des Ganges nickte ihm grüßend zu.
    » Langer Tag, was, Herr Nival?«
    » Bin leider nicht ganz fertig geworden. Aber das Licht reicht nicht mehr aus«, sagte Nival und zog die Schultern hoch, als bereite ihm die Vorstellung, eine Arbeit nicht zu Ende zu bringen, unermessliche Qualen.
    » Grüßt Eure Tante von mir.«
    » Danke schön, ich richte es aus.«
    Seit Mora ihren Mann Bher beim Drachenangriff auf die Stadt verloren hatte, mussten nicht nur die Edlen im Palast auf ihre unvergleichlichen Meisterwerke der Backkunst verzichten. Mit Moras verzauberten Pasteten hatte Nival sich die Freundschaft der Wachen erworben; nun würde er sich etwas anderes ausdenken müssen, um sich das Wohlwollen der Bediensteten zu erhalten und zu verhindern, dass sie sich zu viele Gedanken über ihn machten.
    Schleppenden Schrittes brachte er das Treppenhaus hinter sich und trat

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