Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
Wie gut, dass mich niemand so sieht.« Chamija versuchte, ihre strähnigen Haare zu glätten. » Ich sehe schrecklich aus, oder? Niemals darf irgendjemand erfahren, wer ich bin!«
» Das wird nicht geschehen«, versicherte Linn.
» Da kommt jemand vom Schloss herunter«, jammerte Chamija. » Warum kann es nicht schon dunkel sein? Wir hätten uns lieber nicht so beeilen sollen.«
Beim Anblick der einsamen Gestalt, die in der Dämmerung den Weg hinunterschritt, erstarrte die Drachenjägerin.
Nival.
Ein junger Mann, das blonde Haar tief in der Stirn, einen langen Mantel um die Schultern, unter dem Arm das unvermeidliche dicke Buch, von Lederschnüren umwickelt, marschierte mit gesenktem Kopf an den heimkehrenden Rittern vorüber. Als er an Linn vorbeikam, schaute er durch die langen Strähnen kurz auf, und ein Blick aus grauen Augen traf sie, kurz und intensiv wie ein Blitz. Linn umklammerte die Zügel so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.
» Weiter«, flüsterte Chamija. » Du musst weitergehen.«
» Ja«, stammelte Linn. » Ja, natürlich.«
Die Prinzessin lachte leise. » Wie aufregend! Das ist also der Mann, den du liebst? Werdet ihr heiraten? Wann? Hoffentlich bald, ich war schon so lange auf keiner Hochzeit mehr.«
» Nein!«, rief Linn. Hastig senkte sie die Stimme. » Nein, du irrst dich. Wir lieben uns nicht. Ich kenne ihn kaum.«
» Ach?«, fragte Chamija und klang alles andere als überzeugt. » Das kam mir eben ganz anders vor. Er hat dich mit seinem Blick geradezu abgeschossen, wie ein Schneehuhn aus Berat, das er den ganzen Winter über mit dem Fangnetz gejagt hat.«
Linn zuckte zusammen. Oh ja, Nival und sein magisches Netz … aber die Zeiten waren vorbei, als sie sich gewünscht hatte, seine Geheimnisse zu ergründen. Was sie gefunden hatte – Lüge und noch mal Lüge –, hatte ihr gereicht. Endgültig. Sie war fertig mit Nival und seinen Spielchen.
» Ich bin verlobt«, sagte sie mit Nachdruck, » und das eben war nur ein … ehemaliger Nachbar. Es war keine besonders gute Nachbarschaft, nebenbei gesagt.«
» Aha«, meinte Chamija.
Zu Linns Erleichterung wurde sie abgelenkt, da sie endlich das Tor durchquerten und ihnen eine ganze Schar Dienstboten entgegeneilte, um sich um Pferde und Ritter zu kümmern.
» Das Gemach des Fräuleins«, sagte der Prinz, » steht doch noch bereit?«
» Oh nein, nein!«, ging Chamija dazwischen. » Da will ich gar nicht mehr wohnen. Ich bleibe lieber bei Linnia.«
» Das wird nicht möglich sein«, meinte Arian. » In den Quartieren der Gardisten werdet Ihr wohl kaum unterkommen – Ihr seid Besseres gewöhnt. Natürlich behandeln wir Euch nach wie vor, wie es einem Ehrengast zusteht.«
» Ich bin nur eine einfache Schreiberin«, erklärte Chamija mit Entschiedenheit, » und ohne den Botschafter steht mir auch keine Sonderbehandlung zu. Ich will nicht in einem prunkvollen Zimmer wohnen, während meine Retterin in einer kahlen Kammer haust.«
Nach Linns Meinung fragte keiner der beiden. Arian stritt sich erst eine Weile mit Chamija und hielt dann plötzlich inne, als sei ihm eingefallen, worum es überhaupt ging. Übelgelaunt rief er: » Ach, macht doch, was Ihr wollt!«, und marschierte davon.
» Das sagen die Ritter immer, wenn man einen von ihn in die Enge treibt«, verriet Linn.
Die Prinzessin grinste zufrieden; ihr unangemessener Aufzug schien sie nicht mehr im Geringsten zu stören. » So geht es allen, wenn ich mit ihnen fertig bin. Übergib dem Knecht dort endlich dein Pferd und lass uns zu Bett gehen. Ein Bad wäre jetzt schön. Du hast hoffentlich noch etwas Sauberes und vor allem Trockenes zum Anziehen? Mein Gepäck ist davongeflogen, wie du weißt.«
Linn seufzte. » Mal sehen, was sich machen lässt.«
Am Morgen fand sie sich zum Training ein. Keiner der Gardisten schien sich überhaupt noch an ihren unerlaubten Ausflug zu erinnern oder zeigte Interesse daran, ob sie einem Drachen begegnet war. Linn wurde einfach ignoriert, nur Okanion, der ehemalige Hauptmann mit dem Narbengesicht, schüttelte besorgt den Kopf.
» Wir haben viel riskiert, um Euch bis hierhin zu bringen«, sagte er leise, » werft das nicht einfach weg.«
» Dann ist es also wahr?« Lautlos war Chamija hinter ihnen aufgetaucht. » Der Prinz hat den Drachen nicht selbst getötet, das warst du? Ich habe schon mehrfach etwas in der Richtung gehört.«
Okanion musterte die angebliche Schreiberin, die ein schlichtes graublaues Kleid trug, das ihre frische
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