Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
ich damit meine. Menschen, die ihre Hände in Mehl tauchen können.«
» Es geht mir nicht darum, Königin zu werden.«
» Das glaube ich Euch sogar«, meinte Okanion. » Doch Ihr könnt Arian nicht haben, ohne diesen Preis zu bezahlen. Noch dazu würdet Ihr sämtliche Fürsten und Grafen im Schloss gegen Euch aufbringen. Alle, die Euch einen solchen Aufstieg missgönnen, würden dafür sorgen, dass Ihr Eures Lebens nicht mehr froh werden würdet. Für Irana war es schon schlimm genug, und sie war immerhin eine Prinzessin.«
» Habt Ihr sie geliebt? – Entschuldigt, bitte. Das geht mich nichts an.«
» Ich habe sie verehrt«, erwiderte Okanion ruhig. » Ihre Schönheit und Tapferkeit bewundert. Mehr hätte ich mir nie herausgenommen. So solltet auch Ihr es halten, was Mitglieder der königlichen Familie angeht.«
Die Straße durchs Gebirge war Linn beim letzten Mal, als sie allein gereist war, nicht so lang vorgekommen. Sie schlängelte sich zwischen den höheren Bergen hindurch und war normalerweise auch mit Wagen mühelos zu befahren, aber Linn kam es vor, als wäre sie selbst zu Jikesch, der störrischen Eselin, geworden. Das Reittier des Narren, das denselben Namen trug wie er, verzagte vor dem kleinsten Hindernis, und so ging es Linn jetzt auch – jede noch so geringe Steigung kam ihr qualvoll vor.
Schneller. Der Norden ist noch so weit. Du watest durch Blätter, die zu Füßen des Baumes liegen, rot und golden. Du stapfst durch Schnee, der sich in braunen Schlamm verwandeln wird. Schön und doch nicht mehr als der Abfall eines Jahres. Weiter! Schneller! Er wartet.
Er?
Es lag nicht an Okanion. Auch nicht an Dorwit, der sich meist unauffällig im Hintergrund hielt, hin und wieder seinen Bart kraulte und eine weise klingende Aussage zum Besten gab, wie » Der Weg hinter dem Hügel führt voran« oder » Die ersten zehn Yagons sind immer die schwersten«. Manchmal verstieg er sich zu Bemerkungen, die Linn wirklich erstaunten.
» Wenn Drachen dichten könnten, hätten sie wenigstens einen Grund, über Yan herzufallen.«
» Aha«, meinte Gunya gereizt. » Wie überaus witzig.«
Ohne die zweite Ritterin wäre diese Reise vielleicht sogar amüsant gewesen, so aber hatte Linn das Gefühl, als klebten die Hufe ihres Pferdes am steinigen Weg. Sie kamen nicht voran. Der Norden ruft. Nach Tijoa, nach Tijoa! Er wartet. Das Herz der Welt. Und, schlimmer noch, sie konnte nicht entkommen. Es war gar nicht das, was Gunya sagte, sondern die Art, wie sie jeden in ihrer Nähe mit Blicken und ihrem abfälligen Lächeln zum Schweigen brachte.
Als sie die Berge hinter sich hatten und das leicht hügelige, bewaldete Grenzgebiet erreichten, war Linn bereit, sich auf jeden Drachen zu stürzen und ihn mit bloßen Händen zu erwürgen, Hauptsache, sie konnte dieser erzwungenen Gemeinschaft so schnell wie möglich entfliehen. Aber vermutlich würde sie mindestens zwanzig Drachen töten müssen, um Gunya zufriedenzustellen.
Wenn es denn irgendwo Drachen gegeben hätte.
Das erste Dorf, das sie erreichten, war menschenleer. Auf den Feldern und Weiden brach der Frühling an, gelbe und weiße Blumen sprossen wie Pilze aus der Erde; dazu hätten spielende Kinder und tanzende Mädchen gepasst, nicht diese Grabesstille. Man hätte glauben können, die Ansiedlung sei von Drachen heimgesucht worden, wenn nicht die Häuser alle unversehrt gewesen wären. Eine Frau in der Tracht der honauischen Bauern, die vor ihrem Haus stand und die Gardisten mit großen, verstörten Augen anstarrte, reagierte auf Okanions Anfrage mit Unverständnis.
» Drachen? Hier? Warum sollte es denn bei uns Drachen geben?«
» Wir hörten, sie würden die gesamte Provinz Honau heimsuchen«, erklärte er geduldig, » entlang der Grenze, und die Flüchtlinge verfolgen. Aber Ihr hattet bislang keine Probleme?«
Die Frau schüttelte den Kopf.
» Das freut mich für Euch.« Er wandte sich an Linn. » Wir müssen also noch weiter nach Norden.«
» Merkwürdig«, murmelte sie. » Bei meinem letzten Besuch hat es in dieser Gegend vor Drachen nur so gewimmelt. Aber ich war weiter westlich, näher an den Bergen, vielleicht liegt es daran.«
» Drachen? Wo gibt es Drachen?«
Die Bäuerin stieß ein erschrockenes Keuchen aus, als am Fenster hinter ihr ein Junge von vielleicht dreizehn, vierzehn Jahren erschien und die Ritter neugierig bewunderte.
» Zurück! Ich habe dir gesagt, lass dich nicht blicken! – Er ist elf«, sagte sie rasch zu Okanion, » erst elf, ich
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