Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
und jetzt ist es zu spät. Vermutlich hilft es nicht, wenn ich dir rate: Nimm die hübsche grüne Maske ab, die der Prinz dir geschenkt hat, und reite nach Süden.«
» Was?« Ungläubig starrte Linn ihre Freundin an. » Wie meinst du das?«
» Das ist keine Schlangenhaut aus Jagor. Aber ach, was rede ich zu tauben Ohren! Ich sollte es besser wissen. Wahrscheinlich war Scharech-Par nur aus dem einen Grund hier – um den Angelhaken auszuwerfen. Diesen Zauber kann nicht einmal ich von dir nehmen. Auf meine Worte kommt es jetzt nicht mehr an. Mir bleibt nur, darauf zu hoffen, dass du stark genug bist.«
» Stark genug wofür? Um die zehn Drachen zu töten?«
» Reite los«, sagte Chamija, » und komm zurück. Mehr verlange ich gar nicht. Wenn du das fertigbringst, bin ich schon stolz auf dich – mehr, als du dir vorstellen kannst.«
Im Stall hockte Jikesch. Linn musste an ihm vorbei, um zu ihrem Pferd zu gelangen, und ertappte sich dabei, dass sie ihn am liebsten getreten hätte, so wie Arian es sich angewöhnt hatte.
» Geh mir aus dem Weg«, zischte sie.
Der Narr war ungewohnt schweigsam. Er rührte sich nicht von der Stelle, und während sie Tani sattelte, brütete er dumpf vor sich hin. Erst als sie den Braunen aus der Box führte, wachte er auf, und für einen kurzen Moment war ihr, als würde sie Nivals Gesicht vor sich sehen und Nivals Stimme hören.
» Geh nicht. Bitte.«
Sie drehte sich zu ihm um, und wieder überkam sie der bittere Wunsch, ihn zu schlagen – für das, was er war, und für das, was er nicht sein konnte.
» Warum?«, fragte sie.
Er starrte nicht sie an, sondern ihre Maske, als stünde eine dritte Person zwischen ihnen, eine unsichtbare Gestalt in Grün. Sie erhielt keine Antwort, aber damit hatte sie auch nicht gerechnet. Nur Scherze und Geheimnisse, und von beidem hatte sie genug.
Schnee glättete den steinigen Weg den Hügel hinab. Es war kalt, aber solange der Schnee nicht taute, würde die Straße durch die Gerin-Yan-Berge gut passierbar sein, und sobald sie erst in der Provinz Honau war, konnte das Wasser von den Hängen herabfließen, so viel es wollte.
An der Wegkreuzung warteten drei Reiter. Okanion, Gunya und Dorwit. Waren sie ebenfalls nach Drachen ausgeschickt worden?
» Ich wurde allein ausgesandt«, sagte Linn.
» Nein«, widersprach Okanion. » Wir werden mit Euch reiten, Ritterin Linnia.«
» Aber …« Hatte der Prinz ihr diese Begleiter mitgegeben? Um dafür zu sorgen, dass sie heil zurückkam? Dann wusste er nicht, dass er ihr damit einen schlechten Dienst erwies. Schließlich durfte niemand wissen, dass sie ein verzaubertes Schwert benutzte; es war zwar auf den ersten Blick nicht ersichtlich, aber vielleicht würde doch irgendwann jemand darauf kommen.
» Der König hat uns befohlen, bei Euch zu bleiben«, sagte Gunya. » Ihr habt doch kein Problem damit? Wenn er Euch mehr Reichtum in Aussicht stellt, als irgendein Mädchen Eures bescheidenen Ranges je erträumen darf, so muss er sicher sein können, dass Ihr diese zehn Drachen tatsächlich alleine besiegt habt.«
» Ihr wisst davon?«, fragte Linn überrascht.
» Mädchen, jeder in ganz Lanhannat weiß davon. Pivellius muss dafür sorgen, dass Ihr ihn nicht betrügt – indem Ihr fremde Siege für Eure eigenen ausgebt oder Drachenschuppen kauft, um sie als Trophäen mitzubringen.«
Okanion wirkte darüber nicht glücklich.
» Auf geht’s«, sagte er mit rauer Stimme. » Nordwärts. Oder habt Ihr vor, an einer anderen Stelle nach den Drachen zu suchen?«
Während sie ritten, lenkte er sein Pferd an ihre Seite.
» Die beiden wissen nicht alles«, sagte er leise. » In der Stadt heißt es nur, der König habe Euch einen besonderen Schatz versprochen. Doch die Stimmen mehren sich, die darüber klagen, dass er Euch möglicherweise loswerden will und Euch deshalb in die Gefahr schickt.«
Er hatte ihr seine zerstörte Gesichtshälfte zugewandt, wie eine Warnung.
Das Auge des Sturms. Tijoa. Dort ist keine Gefahr, dort ist das Zentrum der Stille.
» Wir alle werden wie Blätter vom Baum geschüttelt.« Linn seufzte. » Hat Pivellius Euch gesagt, worum es wirklich geht?«
Okanion antwortete nicht sofort. » Ich habe Euch einmal ein Bild gezeigt«, sagte er. » Von einer Frau mit Augen, die älter waren als sie selbst. Traurige Augen. Ich kannte die Königin, und obwohl sie eine wunderbare Frau war, so war sie doch nicht stark genug für diesen Platz oben, fern von … richtigen Menschen. Ihr wisst, was
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