Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
verbirgt ein hübsches Mädchen seinen Schmuck, statt sich damit herauszuputzen?« Nachdenklich kraulte er seinen Bart. » Auf einen bloßen Verdacht hin kann ich sie nicht festnehmen … dazu ist sie zu beliebt im Volk. Doch wenn man eine Probe arrangieren würde … bei der sich zweifelsfrei feststellen ließe, ob die Kette magisch ist, ob Linnia unter einem Schutz steht, der übernatürlich und verboten ist? Dann könnte ich sie aus Arians Nähe entfernen … oh ja. So machen wir es.«
Pivellius schritt mit stolzen, schwingenden Schritten davon.
Jikesch zitterte am ganzen Leib. Nur mit größter Anstrengung rappelte er sich auf und wankte zum Fenster. Er öffnete die Fensterflügel und hielt das Gesicht in den scharfen Wind, der ihn sofort erfasste und ihm fast die Mütze vom Kopf riss. Während er sich am Sims festhielt, stieß er ein gequältes Stöhnen aus.
» Gut gemacht«, sagte eine Stimme dicht an seinem Ohr. » Ich bin stolz auf dich, kleiner Narr.«
» Nein«, ächzte er. » Nein, nein …«
Er beugte sich vor. Dort unten das Pflaster, weit, weit unten. Der weiße Hof, auf dem der letzte Schnee glänzte. Es würde sich anfühlen wie fliegen. Einmal im Leben würde er die Arme ausbreiten und sich vorkommen wie ein Drache, mächtig und tödlich, und wie ein Held, der tat, was getan werden musste.
» Nein, mein Lieber.«
Chamija stand hinter ihm, dabei hatte er gedacht, er hätte ihre Stimme nur geträumt. Bald wusste er nicht mehr, wann sie wirklich da war und wann nur in seinen Gedanken.
» Mach es zu«, befahl sie. » Wir sind hier noch lange nicht fertig.«
Seine Finger zitterten so heftig, dass er den Riegel kaum bewegen konnte, als er den Fensterflügel wieder schloss.
Arian legte Linn die Hände auf die Schultern. Sie musste zu ihm aufsehen. Merkwürdig, schon lange hatte sie aufgehört zu denken, dass er zu schwach war für das Erbe, das auf ihm lastete.
Er war erfreulich attraktiv, das hatte er dem legendären Helden auf den vergilbten Bildern voraus. Eigentlich machte er sich ganz gut als Brahans jüngster Spross.
Was zählt es, was hier geschieht, wer in Schenn auf dem Thron sitzt? Erhebe den Blick. Schau, was da draußen vor sich geht, in den Ländern des Südens und Nordens und überall. Jagor. Lonar. Ghenai. Werlis. Khanat. Laub an einem Baum. Was ist Schenn? Nichts als ein Blatt im Herbst, das sich bald vom Zweig lösen wird. Nichts als eine Schneeflocke, die taut, wenn der Frühling kommt. Geh, bevor der Sturm kommt. Geh nach Tijoa. Das ist das Königreich, in dem das Herz der Welt schlägt. Tijoa …
» Was?«, fragte sie verwirrt.
» Du hast davon gehört, oder?«, fragte Arian. » Die Geschichte mit den zehn Drachen?«
Tijoa, flüsterte es. Erhebe den Blick von allen deinen Sorgen, deinen kleinen Kümmernissen. Dort ist es. Dort geschieht es. Dort wartet es. In Tijoa.
Den Winter über war die Stimme immer lauter geworden, immer klarer, als würde auf ihrer Schulter ein unsichtbares Wesen sitzen, das ihr ins Ohr schrie.
» Was?«, wollte sie fragen. » Was wartet dort?«
Linn blinzelte und versuchte, sich auf den Mann vor ihr zu konzentrieren. » In der Tat, das habe ich. Der König verspricht mir einen Schatz, wenn mir das gelingt. Das kommt mir alles so … unwirklich vor.«
» Da ist noch mehr«, sagte er. » Dieser Schatz, den er dir in Aussicht stellt …«
» Ja?«
» Bin ich.«
Einen Moment lang bekam sie keine Luft. Es war, als hätte jemand sie erschossen, mit einem Pfeil, der ihr noch in der Brust steckte.
Arian lachte leise. Er nahm ihre Hände in die seinen.
» Mein Vater weiß, dass echtes Heldentum tausendmal mehr wert ist als Abstammung und Geld. Wir hätten das ganze Volk auf unserer Seite. Und trotzdem …« Er befeuchtete seine trockenen Lippen. » Du solltest es nicht tun. Zehn Drachen? Wir beide wissen, dass ein einziger Drache genügt, um zehn tapfere Ritter zu Asche zu verbrennen. Die Leute jubeln und reden, aber sie haben keine Ahnung. Wir beide dagegen – wir kennen die Drachen. Jeder falsche Schritt, eine falsche Entscheidung, ein Stolpern, ein Zögern, und es ist zu Ende. Tu es nicht, Linnia. Bleib hier, bei mir.«
Geh. Was hält dich hier? Geh nach Tijoa. Dort ist das Herz dieser Welt.
» Dann verspricht der König also mehr, als du halten willst?« Sie sah ihn an und wusste immer noch nicht, was sie über ihn dachte. Er hatte recht – sie hatte stets nur den Mann in ihm gesehen, nie den Königssohn. Einen Mann, der es ihr schwer
Weitere Kostenlose Bücher