Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
getan, gib es zu.«
» Aber du hast dich geirrt.«
» Das muss sich erst noch herausstellen.«
Linn hatte gehofft, wenigstens einen Anflug von Reue, von Nachdenklichkeit bei Arian herauszuhören, das Eingeständnis, dass er voreilig gehandelt hatte, dass er unnötig grausam gewesen war – vielleicht sogar eine Entschuldigung.
» Ist dir denn nicht wenigstens einmal der Gedanke gekommen, dass jemand ihm die Sache in die Schuhe schieben wollte? Dass der wahre Schuldige woanders zu suchen sein könnte? Weil du deine Rachsucht ausgelebt hast, hast du es versäumt, zu fragen und nachzuforschen und die Wahrheit herauszubekommen! Nein, ich finde keineswegs, dass du das Recht auf deiner Seite hattest. Ein guter König muss Fragen stellen und nicht nur dem Anschein trauen.«
» Jetzt hast du es mir aber gegeben«, murmelte Arian. Sein Lächeln wechselte von Grün zu Schwefelgelb, während vor ihnen aus dem Teich eine leuchtend gelbe Blase aufplatzte. » Ich habe meinen Vater durch die Stadt begleitet, auf seiner letzten Ehrenrunde«, sagte er traurig, » ich habe ihn zur letzten Ruhe gebettet, unter seinen Ahnen in der Gruft der Könige. Soll ich daran glauben, dass alles Trug war – oder dass dieser neue Gedanke eine Lüge ist, die meine Wunden wieder aufreißt und mich zurückträgt in jene schlimme Zeit nach seinem Tod? Woran soll ich glauben – an die Hoffnung, während wir durch diese Gegend des Todes wandern? Ich frage mich, worauf ich noch hoffen könnte. Ich dachte, du liebst mich, bis du uns alle verraten hast. Ich dachte, Chamija wäre im Kampf gegen Tijoa unschätzbar – aber es wurde alles nur noch schlimmer. Was soll ich von wem denken? Niemand ist das, was er zu sein scheint, das ist wohl die einzige Erkenntnis, die ich mitnehmen kann. Verbündete erklären mir den Krieg, Tote leben, Mörder sind unschuldig, schöne Frauen sind böse Zauberinnen … Soll ich etwa denen trauen, die ich für Verräter gehalten habe, oder gar niemandem mehr?« Er streckte die Hand aus und legte sie an ihre Wange.
» Tu das nicht«, sagte sie.
» Er schläft. Verrate mir eins, wer ist er wirklich? Doch kein Müllerbursche aus der Provinz?«
» Hättest du was dagegen?«
» Ich kenne nicht viele Leute aus Nelcken«, gab Arian zu, » aber eins ist mir bei allen aufgefallen: Bei jeder Gelegenheit rufen sie Arajas an. Du machst das auch – er dagegen nicht. Er hat euren Gott bisher kein einziges Mal erwähnt.«
» Das tun viele, aber beileibe nicht alle«, sagte sie schnell, doch er schüttelte nur den Kopf.
Arian war, bei allen seinen Fehlern, jedenfalls nicht dumm. Linn hoffte nur, dass diese Reise nicht zu lange dauerte und der Prinz doch noch herausfand, wer Nival war.
16
Sie kamen immer langsamer vorwärts. Die anfangs noch gut sichtbaren Pfade wurden zusehends schmaler, zugewachsener, von Schlingpflanzen überwuchert, sodass sie mit dem grünlichen Schlick verschmolzen. Schließlich blieb Nival, der wie jeden Tag an der Spitze ging, stehen.
» Dort vorne geht es nicht weiter.«
» Das Grüne da – ist das wohl fest?« Arian wies auf eine dunkelgrüne Erhebung. » Wenn man weit genug springt, könnte man es erreichen.«
» Ich fürchte, wir müssen schwimmen«, meinte Nival.
Linn hatte sich vor diesem Moment gefürchtet, seit sie sich ins Moor gewagt hatten. » Das kann nicht dein Ernst sein.«
» Es ist mein bitterer Ernst. Wir stehen hier auf einer Kante, die so schmal ist, dass uns das Wasser in die Schuhe dringt, und es geht nirgends weiter. Wollt ihr zurück und einen anderen Weg suchen? Das wäre ein Umweg von mehreren Stunden, ohne die Garantie, dass wir nicht doch wieder an einer ähnlichen Stelle landen und vor derselben Entscheidung stehen.«
Misstrauisch beäugte Linn das dunkle Gewässer, aus dem Blasen aufstiegen, manche von den Ausmaßen einer Faust oder eines Kinderkopfes, andere wie Murmeln oder Perlen, als würden dort unten große und kleine Tiere atmen, die nichts vom Licht des Himmels wussten.
Nival zog sich bereits die Schuhe aus. » Glaubt ihr, mir macht das Spaß? Der Überbringer schlechter Nachrichten muss damit rechnen, dass man ihn hasst. Ich bin nur derjenige, der das Offensichtliche ausgesprochen hat.«
» Ich will nicht«, jammerte Linn und schämte sich gleichzeitig für ihr Widerstreben, in die undurchsichtige Brühe zu steigen. Es wäre so viel einfacher gewesen, den Part des schwierigen Reisegefährten Arian zu überlassen, der sich jedoch ohne ein Wort die Stiefel
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