Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
» So leicht lässt sich die Wirklichkeit nicht bezwingen. Das Unsichtbare sichtbar machen – das ist keine Spielerei, Rinek. Das ist höchst gefährlich. Was würdest du damit noch alles erscheinen lassen? Würdest du Dinge herbeizwingen, die im Verborgenen leben, oder das nicht Greifbare an die Oberfläche zerren? Dieser Zauber würde dich von innen her in Flammen aufgehen lassen, wenn du nicht stark genug bist, ihn auf die eine Person zu richten, um die es dir geht. Und selbst das ist schwierig – was würde noch alles ans Tageslicht kommen, was dieser Mann lieber für sich behalten möchte?«
» Mit dem Pulver war es doch auch ganz einfach«, protestierte Rinek.
» Wer hat es hergestellt? Chamija vermutlich. Sie vermochte es auf sehr subtile Art, Dinge aus der Tiefe herauszuholen. Nicht umsonst hat jeder von uns die Begegnung mit ihr gefürchtet. Vergiss es, Rinek. Das ist mehr als ein Trick, und ich werde dir gewiss keine Waffe in die Hand geben, mit der du, wenn es schiefgeht, alle Schatten ans Licht zerrst.«
» Wer ist sie?«, fragte Pivellius’ Stimme. » Sie klingt wie eine verdammte Zauberin.«
Auch die anderen starrten Sion entgeistert an. So ernst hatte nicht einmal Mora je geklungen, wenn es um Magie ging.
» Unser Blut fließt durch die Adern der Welt«, sagte sie. » Unser Flügelschlag ist der Herzschlag der Welt, wir sind das Zentrum. Schon ein Wort kann Berge einebnen und Königreiche zerstören. Dass menschliche Zauberer uns diese Macht entrissen haben, Menschen, die von nichts eine Ahnung haben, die mit den Elementen spielen, von denen sie nichts verstehen, ist der größte Fehler, den sie je begangen haben.« Sion funkelte Rinek an, als wäre er ihr Feind. » Ihr seid alle Chamijas Nachfolger!«, zischte sie. » Ihr alle!«
Eine Weile herrschte Schweigen.
» Mich überrascht sehr, dass hier jemand meine Einstellung zur Zauberei teilt«, sagte der König schließlich. » Kann ich jetzt vielleicht etwas zu essen haben? Es riecht hier so gut nach Fisch, und auch eine verlorene Schlacht macht hungrig.«
Gah Ran flog nach Westen, immer die Küste entlang. Es gab hier keinen Hafen, keine Buchten, in denen ein Schiff hätte anlegen können. Auf der Suche nach einer Stelle, an der Brahan an Land hätte gehen können, flog der Drache viel langsamer als sonst, und Linn hatte Gelegenheit, sowohl das mächtige Gebirge zu ihrer Linken wie auch das graue, windgepeitschte Meer zu ihrer Rechten eingehend zu betrachten. Die herbe Schönheit der Gegend verschlug ihr den Atem. Irgendwo weit draußen auf dem Wasser glänzte ein winziges Segel.
Gah Ran ging noch tiefer herunter. » Vielleicht hatte Brahan ein kleines Boot, denn die großen Schiffe wagen sich nicht näher an die Küste heran, hier ist alles voller Klippen und Untiefen. Ich wusste doch, dass man eine Legende nicht als Karte benutzen darf!«
Er schwenkte nach rechts ab, um den Ausläufer eines Berges zu umfliegen. Vor ihnen lag eine kleine Bucht. Das Wasser war an dieser Stelle ruhiger, trotzdem konnte Linn sich kaum vorstellen, wie es möglich sein sollte, ein Boot durch die Brandung zu manövrieren.
Gleich dahinter öffneten sich die Berge zu einer Art Durchgang. Ein Zittern durchlief den gewaltigen Drachenkörper, als Gah Ran an einem Hang landete, der zu Linns Erstaunen schneefrei war. Als sie die verspannten Muskeln streckte, erkannte sie den Grund dafür. Es war hier merklich wärmer. Ein grünlicher Bach floss in die Bucht; sie tauchte die Finger hinein und stellte verblüfft fest, dass er lauwarmes Wasser führte.
» Ich kann nicht weiter«, bekannte Gah Ran. » Mich von hier aus südlich zu wenden ist unmöglich, der Bann schließt mich aus. Vielleicht könnte ich zu Fuß noch ein Stück vorankommen, aber es ist, als würde ich gegen eine starke Strömung ankämpfen. Schon jetzt will sie mich fortspülen. Dagegen war der Bann, der auf dem Schloss lag, gar nichts. Ich fürchte, ich kann euch nicht helfen. Aber ich vermute, dass ihr, wenn ihr dem Bachlauf folgt, Brahans Moor finden werdet. Es liegt ein merkwürdiger Geruch in der Luft.«
Arian verzog das Gesicht. » Er kann uns also nicht beistehen. Für wen machen wir das hier eigentlich? Seit wann sind wir die Diener eines Drachen?«
» Wenn Ihr Euren Thron zurückwollt, solltet Ihr hoffen, dass unsere Reise von Erfolg gekrönt ist«, sagte Nival. » Würdet Ihr nicht mit allen Kräften mithelfen, einen Verbündeten gegen Scharech-Par zu finden, der das Problem für Euch aus
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