Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
lange, hohle Stängel irgendeiner Sumpfblume, sie ließen sich so leicht abknicken wie Strohhalme. Die Dunkelheit senkte sich jetzt immer schneller über den Talkessel, und aus einigen Tümpeln stieg ein phosphoreszierendes Leuchten auf. Irgendein Tier gab seltsame klagende Geräusche von sich – ein Frosch, ein Vogel? –, versteckte sich jedoch vor ihnen.
» Wir können uns nicht hinsetzen«, sagte Linn, » aber mir tun die Beine weh, und ich weiß nicht, wie ich weitergehen soll.«
» Das ist auch nicht ratsam, im Dunkeln«, meinte Nival.
» Ich habe noch nie erlebt, dass du dich beschwerst, noch bei keiner einzigen Drachenjagd«, sagte Arian, als müsste er betonen, dass sie schon so einiges gemeinsam durchgemacht hatten.
» Ich weiß auch nicht.« Das dunkelgrüne, schleimige Wasser schien ihr entgegenzufallen. Mit ausgestreckten Armen kämpfte sie um ihr Gleichgewicht. » Mir ist schwindelig.«
» Zieh deinen Mantel aus«, schlug Nival vor. » Wir setzen uns darauf, das müsste die Feuchtigkeit abhalten. Ohne Rast geht es nicht. Hat jemand Durst?«
Er reichte ihr einen Lederschlauch, der klares Wasser enthielt. Süßes, reines, herrliches Wasser – den geschmolzenen Schnee, den er mitgenommen hatte und mit dem sie sparsam umgehen wollten. Trotzdem konnte Linn sich kaum bremsen. Der üble Geschmack in ihrem Mund wollte dennoch einfach nicht verschwinden.
Sie lehnte sich gegen Nival. Es würde schwierig werden, hier auf diesem schmalen Streifen Land zu schlafen, ohne auf dem rutschigen Grund den Halt zu verlieren.
» Hast du was dagegen, wenn ich deinen Mantel in Streifen schneide?«, fragte Nival. » Damit jeder von uns ein Stück davon bekommt?«
» Bitte schön. Ich werde schon nicht frieren.« Was später in den Bergen sein würde, durfte sie jetzt nicht kümmern.
» Wir sollten abwechselnd wachen.« Linn vermisste Gah Ran. Solange sie mit dem Drachen unterwegs gewesen waren, hatten sie auf diese übliche Vorsichtsmaßnahme verzichten können.
» Ich übernehme die erste Wache«, meinte Arian sofort.
Im grünlichen Schein des Sumpfes wirkte sein Gesicht fremd und rätselhaft. Nival trug immer noch die Maske – es war, als wäre Linn von grünen, drachenähnlichen Wesen umgeben.
» Traust du mir nicht? Glaubst du, ich mache mich davon, sobald ihr schlaft?«
» Wohin?«, fragte sie. » Im Dunkeln wäre es lebensmüde weiterzugehen. Also gut.«
Zum Glück war es wenigstens warm genug, um ohne Feuer auszukommen. Linn war so erschöpft, dass ihr die Augen zufielen, sobald sie sich auf dem Mantel ausstreckte, Kopf an Kopf mit Nival. Seine Haare kitzelten ihre; eine kleine Intimität, die sie genoss.
Irgendwann weckte Arian Linn aus unruhigen Träumen. » Vorsicht.« Da merkte sie, dass ihre Hand bereits ins Wasser gesunken war.
» Danke.« Sie setzte sich auf. » Du bist noch da, wie ich sehe.«
Nival schlief wie ein Stein. Der Prinz ließ sich vorsichtig auf ihrem Mantelabschnitt nieder.
» Eine ruhige Wache?«, fragte sie.
» Seltsame Geräusche«, sagte er. » Dort hinten leuchtet immer wieder ein Licht auf, als würde jemand eine Laterne schwenken. Einmal dachte ich sogar, ich hörte jemanden flüstern. Ihr zwei wart das wohl nicht?«
» Nein, wir waren’s nicht. Es sei denn, einer von uns hat im Schlaf gesprochen.«
Arian hatte das Kinn in die Hand gestützt und starrte auf das Moor hinaus, das zurückzustarren schien. Linn hatte das Gefühl, von tausend Augen beobachtet zu werden.
» Ich bin kein Verräter«, sagte er. » Dass es dich überrascht, dass ich noch hier bin, kränkt mich.« Er seufzte. » Aber ich leugne nicht, es zieht mich zurück nach Lanhannat. Ich muss nach Schenn und mich um mein Königreich kümmern. Ich will meinen Vater sehen. Kannst du dir vorstellen, wie es ist, wenn man jemanden betrauert hat und dann erfährt, dass er noch lebt? Ich kann es immer noch nicht recht glauben, ich muss es mit eigenen Augen sehen, ich muss ihn anfassen, verstehst du?«
» Wenn dein Vater gar nicht tot ist«, sagte sie leise, » hat ihn auch niemand ermordet.«
Er schwieg eine Weile. » Du trägst mir das also immer noch nach, die Sache mit deinem kleinen Freund?«
» Natürlich, was dachtest du denn? Macht es für dich denn keinen Unterschied, dass Jikesch unschuldig war?«
» Das konnte ich nicht wissen«, sagte Arian. » Das Recht war auf meiner Seite, Linnia, das müsste dir klar sein. Du hast keinen Grund, mir zu grollen. Du hättest dasselbe mit dem Mörder deines Vaters
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