Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
genäht im Mondschein. Der einzige Stoff auf der Welt, der sich mit verwandelt.«
» Ich dachte, die Seide lähmt Euch?«, fragte er verwirrt. » Was ist mit dem Mantel, mit dem wir Chamija gebannt haben? Das war immerhin deine Idee. Ich hatte bei unserer vorigen Diebestour schon danach gesucht, ihn aber nicht mehr gefunden.«
» Scharech-Par hat ihn natürlich verbrennen lassen. Kein Drache würde eine solche Waffe in seiner Nähe dulden. Es kommt darauf an, wie man sie herstellt«, sagte sie leise. » Die meisten Dinge auf dieser Welt sind zweischneidig. Wenn es nur der Bann der Seide wäre, hätten wir die Raupen längst ausgerottet, doch was sollen wir tun, wenn wir sie auf der anderen Seite brauchen?«
» Worin besteht der Unterschied?«
» Man düngt die Bäume, von denen sie fressen, mit Drachenblut«, sagte Sion. » Mit nichts anderem kann man die Wirkung erzielen, dass der Stoff sich unserer Verwandlung anpasst. Deshalb war es der teuerste, den es gab, am schmerzhaftesten bezahlt … Ohne Drachenblut ist es nur ganz gewöhnliche Seide.«
» Ich vermute, du wirst mir nicht verraten, wie man daraus die Sorte Seide macht, mit der man euch bannen kann.«
» Ich müsste es dir sagen, wenn du es mir befiehlst«, erwiderte sie. » Aber bevor du mich fragst, werde ich nicht wissen, ob ich es tun werde.«
Sie schwiegen eine Weile, und da er die entscheidende Frage nicht stellte, sprach sie schließlich weiter. Rinek meinte, die Erleichterung aus ihrer Stimme herauszuhören.
» Scharech-Par hat Vorbereitungen getroffen für die Verwandlung unseres Volks«, sagte sie. » Deshalb gibt es kaum noch gewöhnliche Seide. So wie damals. Auch damals hat uns das nicht gestört. Steinhag war das reichste Königreich unter dem Himmel.«
» Weil ihr Schätze geraubt habt?«
» Wir haben nach Gold geschürft. Tief unter den Bergen. Wir und unsere Sklaven. Wir haben Edelsteine ans Licht geholt, herrlicher als die Sterne. Kristalle, die von sich aus leuchten. In den allertiefsten Seen haben wir die blinden Schlangen gehütet, deren Gift das stärkste Heilmittel der Welt ist – Leben für den, der es braucht, und Tod für den, der es leichtfertig zu sich nimmt. Wir haben Dinge geschaffen, die es längst nicht mehr gibt, und wenn ein Mensch sie heutzutage sieht, wüsste er nichts mehr damit anzufangen. Wir waren mächtig, Rinek, aber nicht grausam. Nur die Einsiedler haben sich benommen wie wilde Tiere und unter den Menschen gewütet, Einsiedler und Verbannte. Wir in Steinhag waren … wie Könige. Selbst der Geringste von uns war reicher und mächtiger als der Kaiser von Bet-Jar.« Sion seufzte. » Ich wäre selbst fast verbannt worden … aber KianRan hatte schließlich doch Mitleid mit mir und konnte Veira dazu überreden, mir zu verzeihen.«
» KianRan?«
» Unser König. Der Vater von Dairan. Ungeduldig, jähzornig, unberechenbar – ein Drache eben. Ich hätte nicht gedacht, dass er mir das durchgehen lässt. Veira hätte nicht auf ihn hören müssen, die Priesterin ist die Einzige, die dem ValaNaik nicht zu gehorchen braucht. Sie steht nicht unter ihm, sondern neben ihm, und ihre Macht ist seiner gleich. Sie zu verprellen war oftmals gefährlicher, als sich gegen den König aufzulehnen. Wie konnte ich es wagen, so jung, wie ich war? Oder wollte ich verbannt werden? Später habe ich oft darüber nachgedacht, ob ich es nicht herausgefordert habe. Ich sollte die nächste Priesterin werden, weißt du. Lange Zeit war ich das einzige Drachenmädchen in ganz Steinhag, sonst nur Männer und Menschenfrauen, deshalb sollte mir die Aufgabe zufallen, aber ich war verliebt. Vielleicht auch nur trotzig, etwas tun zu müssen, während alle anderen frei waren. Ich habe die goldene Maske einmal aufgesetzt, ich habe Hay Ran Birayiks Stimme gehört … das hat mir gereicht. Ich hätte mich geehrt fühlen sollen, aber ich fand es nur entsetzlich.«
Sie bückte sich und kratzte Schnee von der Einstiegsluke, zu der der neue Richtzauber sie beide geführt hatte. Viele Drachenschuppen hatte er nun nicht mehr in der Tasche, er würde bald Nachschub benötigen.
» Also bist du nicht Priesterin geworden«, sagte er. » Hast du es je bereut?«
Der Schnee schmolz in Sions Haar. Er rann tropfenweise an den silbernen Strähnen herunter, als würde darin Drachenfeuer glühen.
» Wenn ich fühle, wie ich nun wieder ich bin, frage ich mich durchaus, ob ich nicht manchmal zu trotzig war.« Sie trat einen Schritt zur Seite, damit Rinek die Luke
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