Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
aufreißen konnte. Darunter gähnte ein dunkles Loch.
Merkwürdig, dachte er, dass man schon so wenig als Heimat empfinden kann. Wie ein Kaninchen.
» Nichts von alldem wäre geschehen, wenn ich Priesterin gewesen wäre. Ich hätte den Fluch aufheben können. Nein, ich will lieber nicht darüber nachdenken, auf was ich alles verzichtet habe, um ihm nicht die Macht zu geben.«
» Eurem Drachengott?«
» Auch«, flüsterte sie. Sie war stehengeblieben, und in der Finsternis prallte er wieder einmal gegen sie und nutzte die Gelegenheit, um die Arme um sie zu schließen.
» Ich wollte keinem Gott gehören, ich wollte meine Freiheit nie aufgeben.«
Ihm wurde ein wenig anders. » Und Scharech-Par? Hat er dir diese Freiheit gelassen?«
» Kein ValaNaik lässt einem die Freiheit zu sein, wer man sein will.« Ihre Stimme wurde noch leiser. » Prinz Rean Tar. Sein Drachenname ist Rean Tar Ran ValaNaik. Ein stolzer Name, aber was ist mit meinem Stolz? Einer, der herrscht. Einer, der kein Nein gelten lässt. Hätte er eine Drachenfrau gehen lassen?«
» Aber … er ist ein Mensch, und du warst ein Drache!«
» Wenn der Fluch aufgehoben worden wäre, dann nicht mehr«, flüsterte sie.
» Du … du hättest ihn aufheben können? Obwohl du nicht die Priesterin bist?«
» Ich muss dir etwas sagen.« Sie näherte ihren Mund seinem Ohr. » Etwas, das niemand erfahren darf. Ich war dabei, damals. Ich sah, wie Laran flog, durch die Wolken. Alle dachten, er sei tot, Dairan hätte ihn umgebracht, aber ich sah ihn fliegen. Es gibt keine Freiheit, Rinek, nicht von den ValaNaiks. Bis heute ist mir, als würde er über mir schweben, schwarz wie eine Gewitterwolke. So schwarz wie Kohle, aus den Tiefen der Erde geborgen. Laran ValaNaik.«
» Unser Held? Er lebt?«
» Nicht euer Held. Unser Fluch und unser Verderben, die Finsternis, die über uns kam. Nein, er lebt schon lange nicht mehr. Aber er wurde nicht verbrannt. Ich bin die Einzige auf dieser Welt, die davon weiß. Eine Schuppe von seinem toten Leib genügt, um mein Volk zu erlösen.«
22
Der Gang hatte sie immer tiefer hinuntergeführt, durch Räume beispielloser Pracht bis in schwarze Tunnel, wo sie sich vorwärtstasteten und Linn das Gefühl hatte, dass die Finsternis nach ihr griff. Eine stille, uralte Finsternis, die achthundert Jahre lang niemand gestört hatte. Einmal hatte sie sogar den Eindruck, dass die Schatten sich feindselig um sie verdichteten, und sie stieß Nival vorsichtig an.
» Sag etwas«, flüsterte sie und begann gleichzeitig, sämtliche Drachenwörter zu murmeln, die ihr einfielen. Sai-Hara Caness. Sai-Hara Wina-Beret …
Nival übernahm, als sie schließlich verstummte, und sprach in dieser mittlerweile so vertrauten Sprache weiter, auch wenn sie nicht verstand, was er sagte.
» Was soll das?«, fragte Arian dazwischen.
» Spürst du es denn nicht? Es ist, als dürften wir diese Gebiete nicht betreten. Ist es ein Zauber? Wenn, dann ein uralter und fremdartiger Zauber. Vielleicht erkennt etwas in diesem Labyrinth die Drachensprache als Berechtigung an, dass wir hier sein dürfen.«
» Wir könnten es auch als Wink nehmen und tatsächlich umkehren. Ich hatte die Hoffnung, dass wir einen Ausgang finden, und nicht, dass wir irgendwann unten aus der Welt herausfallen.«
» Wir werden auf Wasser stoßen«, gab sich Nival überzeugt. » Hier haben die Drachen gelebt, und auch wenn sie magischer sind als irgendetwas sonst, werden sie nicht darauf gewartet haben, dass man ihnen Eimer nach unten schleppt. Hier gibt es keine Rohrleitungen oder Kanäle. Es muss dort sein, wo sie gewohnt haben.«
» So tief unten?«, bezweifelte Arian.
» Je tiefer, desto besser«, meinte Nival. » Etwas ist in mir, das es spüren kann. Ein Durst in meinem Mund, ein Prickeln auf der Zunge.«
» Ein Ruf«, ergänzte Linn. » Ich kann ihn hören, so leise, dass nur die Stimme da ist, ohne Worte. Dort unten ist das Zentrum. Dort ist alles, was wichtig ist. Nicht in Tijoa. Hier. Nicht in Schenn oder Lonar oder Jagor, sondern hier.«
» Jetzt sind alle verrückt geworden. Macht euch der Durst wahnsinnig?«
» Es ist die Maske, die wir beide getragen haben – ich viel länger als er. Dairan ist hier gegangen, durchs Dunkel. Wie eine Ahnung ist ein Teil seiner Gegenwart hängengeblieben. Dieser Ort hat ihn umgeben wie ein Mantel, dieser Fels war sein Panzer, während er in menschlicher Gestalt durch das Gestein schritt.«
Arian seufzte, und sie erinnerte sich daran, wie
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