Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
wenig er von all diesen Dingen wusste – und dass es nicht unbedingt nötig war, ihm alles zu erklären. Alles verstand sie ja selbst nicht. Dieses Labyrinth musste weitaus älter sein als achthundert Jahre, vielleicht sogar mehrere tausend. Vielleicht, dachte sie und erschauerte, Hunderttausende von Jahren. Und wer weiß, ob nicht ebenso lange die ValaNaiks hier entlanggeschritten waren, eine halbe Ewigkeit bevor dort draußen in der Welt des Tageslichts, die unendlich weit entfernt schien, Könige herrschten und Müller ihr Mehl mahlten und Zauberer die Wirkung von Drachenschuppen erforschten.
Linn hatte jegliches Gefühl für Zeit verloren. War Tag oder Nacht? Wie lange war es her, dass sie gegen Scharech-Par gekämpft hatten und Wea wie ein seltener bunter Vogel die gewaltige Treppe hinuntergeschwebt war? Stimmen schienen in den Schatten zu flüstern und zu zischen. Auf einmal dachte sie an Gah Rans Empörung über die Dinge, die sie ihm zumutete, an seine stolze Entgegnung: Ich habe neben dem ValaNaik gesessen … Jetzt erst begann sie zu erahnen, was das bedeuten mochte. Gah Ran hatte sich als Freund Dairans bezeichnet. Kein Wunder, dass er nicht zugeben mochte, was danach noch alles passiert war. Dass er Dairans Braut hatte entkommen lassen und verbannt wurde …
Eine unendliche Trauer überfiel sie.
» Warum will ich weinen?«, wisperte Arian verstört. » Lasst uns fliehen, solange noch Zeit ist.«
» Nehmt die Steine, Prinz«, befahl Nival. » Sprecht mir nach: Hara Ilas Naik.«
» Hara Ilas Naik«, flüsterte Arian.
» Geht vor.«
Der Königssohn gehorchte wieder. Er führte sie durch die dunklen, stillen Gänge, bis es vor ihnen gelblich schimmerte.
» Da ist Licht«, sagte Arian ehrfürchtig. » Habe ich etwas damit zu tun?« Er klang verstört. » Das war jetzt aber nicht gezaubert, oder?«
Als sie näher kamen, wurde das Licht immer strahlender und goldener. Sie beschatteten ihre Augen, als sie in eine Halle hinaustraten. Linn erwartete eine vergoldete Decke, stattdessen hing über ihnen der Nachthimmel. Was sich zwischen ihnen und dem Himmel wirklich befand, konnte sie nicht erkennen – eine Schicht aus Kristall vielleicht, denn obwohl sich zu allen Seiten schneebedeckte Hänge erhoben, war es nicht kalt, und kein Wind wehte.
Die Sterne über ihnen spendeten das zauberhafte Licht. Größer hatte Linn sie nie zuvor gesehen, sie flackerten wie Laternen im Luftzug. Wie in einem Spiegel gab es sie zweimal, oben und vor ihnen am Boden, der in Licht und Feuer zu brennen schien.
» O ihr allmächtigen Götter«, sagte Arian. » Wie können wir hier unten die Sterne sehen?«
» Durch Schächte«, mutmaßte Nival. » Die sie mehrfach spiegeln und das Bild nach hier unten leiten. Man sieht ja sogar die Berge ringsum. Das hier ist ein unterirdischer See, über dem die Sterne scheinen.«
Er bückte sich und tauchte den Finger ins Wasser.
» Es ist sogar warm genug, um darin zu baden.«
Arian, dem man den Kampf mit Scharech-Par immer noch ansah, wusch sich das Blut aus dem Gesicht, nachdem er sich auf der glatten Oberfläche betrachtet hatte, und trank aus der gewölbten Hand.
» Es ist süß.«
» Ob unser Feind wohl schon an diesem Ort war?«, fragte Linn. » Mir ist gar nicht wohl bei dem Gedanken, dass er hier auftauchen könnte.«
» Warum sollte er nicht hier gewesen sein? Das ist Familienbesitz der ValaNaiks, nehme ich an. Für einen gewöhnlichen Drachen würde niemand einen solchen Aufwand treiben.« Er zögerte. » Wer weiß, ob Scharech-Par nicht hier gewohnt hat, bevor er König von Tijoa wurde? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er erst vierzig Jahre alt ist.«
» Aber falls doch, wo ist dann sein Vater? Und sein Großvater? Wo sind die anderen ValaNaiks, die wir finden müssen? Weist irgendetwas darauf hin, ob sie hier waren oder ob Dairan der letzte Bewohner war?«
Linn ging um das Ufer herum und spähte in eine der Grotten, die sich dort auftaten. » Es ist alles eingerichtet, als wäre der Bewohner nur kurz abwesend und würde gleich wiederkommen.«
Arian spähte über ihre Schulter. » Felle auf der Liegestatt, Decken und Kissen, Seidenteppiche … Ein König würde nicht mehr besitzen können.«
» Hier hat ja auch ein König gelebt, der bedeutender war als jeder menschliche Herrscher.«
» Ich kann es immer noch nicht fassen. Ihr sprecht über diese Drachenmenschen, als wäre das alles wirklich wahr«, protestierte der Prinz.
» Ich dachte, du glaubst es? Du hast
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