Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
Atmosphäre. Sie aßen schweigend, und in der Stille blühte etwas auf … Musik. Linn neigte den Kopf. » Hört ihr das auch?«
Wie ein Summen erreichte etwas ihr Ohr, eine Melodie lag in der Luft. Worte, so leise, dass sie nur eine Ahnung waren.
» Woher kommt das?« Arian sah Nival an, der die Schultern hob.
» Wie soll ich das wissen? Magie?«
Sie hörten auf zu essen und lauschten, dann sprangen sie gleichzeitig auf.
» Wartet!«, rief Nival ihnen nach, aber Linn rannte schon in die eine Richtung und Arian in die andere davon.
Sie eilte den Gang hinauf. In jedem Raum, den sie betrat, erwartete sie, ein Fest vorzufinden, lachende Menschen und Spielleute, nein, keine Menschen, sondern Männer mit arroganten Augen und Mädchen – wie würden die Mädchen aussehen? Es war eine Frau, deren Lied durch die Säle und Grotten hallte, so leise, so vorsichtig, als würde sie ihr Kind in den Schlaf singen. Ein Wiegenlied? Linn hielt inne, fast war es ihr, als würde die Melodie ihr bekannt vorkommen.
» Am Bach dreht sich die Mühle, es drehn sich die Mädchen im Tanz … und auf den Wellen spiegelt sich die Sonne in ihrem Glanz …«
Wie war es möglich, dass sie ein Lied aus ihrer Kindheit zu hören glaubte, eine alte Weise aus Brina?
Die Stimme wehte durch die vergoldeten Festsäle, durch die edelsteinfunkelnden Grotten, sie schwebte über unterirdischen Kanälen und Teichen. Dann stockte sie, und gespannt lauschte Linn und fürchtete, die Stimme würde für immer verklingen – doch da war sie wieder und lockte sie weiter.
» Es drehn sich die Mädchen im Tanz …«
Bildete sie sich das ein? Ob Nival wohl ein Lied hörte, das seine Mutter sang, und Arian vielleicht Königin Irana oder eine Amme? Leider konnte sie die beiden nicht fragen. Ihr war, als hörte sie jemanden ihren Namen rufen.
Linn atmete tief durch. Wenn das hier Zauberwerk war, konnte es ebenso gut Wea sein, die sie zum Narren hielt, es musste nicht unbedingt etwas mit den Drachen zu tun haben. Nein, hier gab es keine tanzenden Drachenmenschen, keine ValaNaiks, die sich um eine junge Priesterin stritten … ihr war, als stünde Gah Ran dort, an die Wand gelehnt, und beobachtete ein Mädchen, das einen Korb mit Beeren trug …
Nein, ihre Fantasie ging mit ihr durch. Linn hob den Kopf und erblickte eine schwarze Öffnung in Deckennähe, einen kleinen Schacht. Von dort kam das Lied. Offenbar wurde es durch ein verzweigtes Tunnelsystem in die Räume getragen. Das hieß, je näher sie der Quelle kam, umso lauter und deutlicher musste es eigentlich werden.
» Ich stehle dir ein Band, mein hübsches Mädchen, und trage es wie Silber und wie Gold. Lächle, meine Schöne, lächle weiter …« Die Stimme brach ab.
Jemand weinte, und in jedem Raum hörte Linn, wie das Weinen lauter wurde. War auch das ein Zauber? Dass die Sängerin nach Luft schnappte, dass sie schluchzte und leise weitersang, als fehlte ihr die Kraft dazu, als müsste sie sich die Worte von Tanz und Lächeln unter größten Schmerzen abringen …
Wieder blieb Linn stehen, und die Angst griff wie mit Krallenhänden nach ihrem Herzen.
Es konnte nicht sein, dass sie diese Stimme kannte. Wie hätte das sein können, hier, Tausende von Schritten unter der Erde, im alten Reich der Drachen?
Ein Mädchen. Sie rennt durch die Straßen, ihr blondes Haar weht hinter ihr her. Es brennt. Ihr Haar steht in Flammen, rot und prächtig wie eine Mähne aus Gold, und über ihr fliegt Ojia Ban … In ihren Händen hält sie den Glücksstein und weiß nicht, dass er die Drachen zu ihr lockt …
» Binia«, flüsterte Linn.
Sie hatte nie besonders gut singen können. Doch ihre kleine Schwester hatte viel gesungen, ihre Stimme fein und hell, und sie traf jeden Ton. Fein und hell und golden, so wie ihr Haar …
» Binia!«
Linn rannte schneller, sie hetzte durch die Gänge, dem Lied nach, der Melodie und den Schluchzern, die ihr ins Herz schnitten. Immer lauter wurde es, die Worte, die aus den kleinen Öffnungen oberhalb der Wände perlten, wurden klarer, und schließlich folgte Linn dem Klang, der direkt vor ihr war und nicht mehr über ihr, und stolperte in jenen riesigen Saal hinaus, in dem sie mit Scharech-Par und Wea gekämpft hatten.
Zuerst erkannte sie gar nichts, sie musste blinzeln, denn die gleißende Helligkeit der Decke blendete sie. Auf den ersten Blick schien die Halle leer, doch das Lied war da, und dieses Lied lenkte ihre Schritte zu einer der mächtigen Säulen. Daran führte ein
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