Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
wichtiger, nach ihm Ausschau zu halten – längst hatten sie nicht alle Winkel dieser weitläufigen unterirdischen Stadt erforscht – oder einen Plan zu ihrer Befreiung zu schmieden? Gegen eine Zauberin und ein ganzes Heer von Drachen?
» Ich suche nach einem Ausgang«, erbot sich Arian. » Während ihr nach dem Stammbaum forscht, kann ich euch sowieso nicht helfen. Es muss mehr Zugänge als diesen Schacht geben, durch den wir gekommen sind. Wie sonst sollte irgendjemand wieder nach oben gelangen? Scharech-Par und Wea sind gewiss nicht dort hinaufgeflogen.«
» Lasst Euer Schwert hier«, sagte Nival. » Damit er Euch nicht spürt, wenn er in der Nähe ist.«
» Das gefällt mir nicht«, sagte der Prinz, aber er legte die Waffe zwischen die Kissen. » Auf«, meinte er dann entschlossen, » wir haben keine Zeit zu verlieren.«
In ihrem Kopf versuchte Linn eine Karte der Gänge und Räume zu zeichnen, aber es war unmöglich. Die Erbauer dieses Reichs mussten es absichtlich als Labyrinth angelegt haben, um Eindringlinge zu verwirren, oder vielleicht musste man nur lange genug hier gelebt haben, um sich zurechtzufinden. Doch wenn sie nicht versuchte, einen bestimmten Weg zu beschreiten, sondern sich ihrem Gefühl überließ, irrte sie nicht mehr herum. Wenn man sich treiben ließ, kam man zum Ziel. Immerhin gelang es ihnen schon seit einigen Tagen, den Sternensee zielsicher anzusteuern – manchmal war Linn ganz überrascht, wieder am Ufer zu stehen.
Sie hoffte, dass es genauso leicht sein würde, den Saal der Statuen wiederzufinden. Sich einfach den Wegen überlassen, sich dem Wechsel von Licht und finsteren Tunneln anvertrauen, sich in die Magie fügen, die das Gestein durchdrang. Dann stand man irgendwann vor einer Wand, auf der Drachenschriftzeichen prangten, die Schöpfungsgeschichte, die Silben des Namens » SaiHara« sprangen ihr ins Auge.
Wie hatte Arian noch mal die Wand geöffnet? Die Hände auf das Gestein gelegt, in etwa so … doch bei ihr geschah nichts.
» Brauchst du Hilfe?«
Sie fuhr herum. Da stand Wea, ernst und fremd, und Linns erster Gedanke war: Wenn Arian jetzt Binia findet, kann er sie mitnehmen …
» Ich frage mich, warum du nicht zauberst«, sagte Wea. In dem goldenen Licht sah sie schöner und jünger aus als je zuvor, ein Mädchen, das würdig gewesen war, von einem Drachen entführt zu werden. » In den Zeichnungen ist genug Drachenstaub enthalten. Du musst nur die Hände dort auflegen. Das ist bei vielen Eingängen hier der Fall. Ich glaube nicht, dass es früher so gedacht war – den Drachen hat der Stein gehorcht, bevor irgendein Mensch auf die Idee kam, ihre Macht auszunutzen. Wir dagegen müssen uns mit Magie behelfen, um nachzuahmen, was sie getan haben.«
Das undurchdringliche Gestein schien zu flackern; ein Durchgang öffnete sich.
» Siehst du? So einfach ist es. Welchen Zauber hast du nur benutzt, um deine gesamte Kraft zu verlieren? Was kann so gewaltig gewesen sein?«
» Das geht dich nichts an«, sagte Linn, die Wea in den Saal der Statuen folgte.
» Warum bist du so unhöflich zu mir? Wir waren einmal Freundinnen. Sagst du mir wenigstens, ob es sich gelohnt hat, dafür all deine Macht zu verlieren?«
Linn dachte an Binia, die Scharech-Par gefolgt war, vertrauensselig wie ein Kind. Eine Fremde, für die das Wort ihrer älteren Schwester nicht galt.
Doch hatte es das je? Nein, Binia hatte ihr nie gehorcht.
Ich hätte sie retten können. Ich hätte kämpfen können …
» Ja«, sagte sie trotzdem, » es hat sich gelohnt.«
Wea wanderte durch den Saal. » Ich bin schon einmal hier gewesen, mit Scharech-Par. Hast du deshalb gewusst, dass hier ein verborgener Raum liegt?« Ihre Stimme wurde eine Spur schärfer. » Habt ihr uns beobachtet?«
Linn wollte schon verneinen, zwang sich jedoch zu einer möglichst unverfänglichen Antwort. Warum sollte sie Wea auf die Idee bringen, dass Nival den Drachen näher stand als sonst irgendein Mensch und dass in seinen Worten Drachenzauber lag? Oder dass Arian magisches Blut besaß? Sie tat, als wollte sie die Statue des Belian eingehend betrachten. » Und wenn?«
Nein, es war gar nicht Belian. Er sah nur ganz ähnlich aus, ein genaues Gegenstück. Dieser ValaNaik glich dem anderen wie ein Zwilling, aber sein Name war Biniras Ran ValaNaik.
» Wollen wir nicht endlich mit offenen Karten spielen?« Die Zauberin wandte sich zu Linn um, in ihrem Rücken die Statue einer grimmig dreinblickenden Königin, die Linn seltsamerweise
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