Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
gab ein paar Erdbeben in den letzten Jahrhunderten? Was weiß ich.«
Linn wünschte sich eine Waffe. Wenn sie bloß ihr Schwert zur Hand gehabt hätte, ausgestattet mit der Schuppe eines lebendigen Drachen, hätte sie es ihm ohne zu zögern in die Brust gerammt. » Du hast meine Schwester aus dem Dorf geholt.«
» Ja und? Er hat es mir befohlen.«
» Ich werde dich töten, und wenn es das Letzte ist, was ich tue.«
Der Blaugrüne rollte mit den Augen. » Du darfst mich hassen, aber vergiss nicht, warum wir hier sind. Nun geh schon. Wenn Scharech-Par sagt, dass du immer zurückkommen wirst, solange er nur die richtige Geisel hat, dann nehme ich das für bare Münze. Er irrt sich nie.«
Linn senkte den Kopf, um dem Wind auszuweichen, der um die Ecke pfiff, und folgte Nival in die Schlucht.
Im Schutz der Felsen war es nicht mehr ganz so kalt. Nival stand am Eingang einer Höhle, doch wenn Linn gehofft hatte, hier wäre alles genauso unverändert geblieben wie in Steinhag, so wurde sie enttäuscht. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass jemals jemand in diesem dunklen Loch im Fels gelebt hatte.
» Linnia«, flüsterte Nival.
» Wir werden keinen toten Drachen finden. Wenn er unter Eis und Schnee begraben liegt, was nützt uns das? Oder wenn die Erde selbst ihn verschlungen hat?«
» Linnia«, sagte er noch einmal.
Hör auf, wollte sie rufen, aber sie konnte nicht sprechen.
» Komm her«, sagte er leise, » wir waren so lange nicht mehr allein.«
Sie zitterte, als er sie in die Arme schloss, und fürchtete sich vor dem, was er sagen könnte, doch er schwieg. Er versuchte nicht, sie zu trösten.
» Wir haben nicht gekämpft«, flüsterte sie. » Wir haben es nicht einmal versucht. Wir haben nur zugesehen, wir haben nichts getan … Ich wollte, wir wären mit ihr gestorben!«
» Wir haben zu lange gewartet«, sagte er schließlich. » Auf ein Wunder? Dass er sie wirklich heilen lässt? Doch das Wunder ist nicht eingetreten.«
Er sagte ihr nicht, was sie selbst wusste. Dass sie keine Chance gehabt hatten. Dass ihr Opfer niemandem genutzt hätte. Wieder sah sie, wie Arian und Nival aus der Höhle stürzten, bereit, in diesem Kampf ihr Leben zu lassen, trotzdem wies sie diese Erinnerung zurück, denn sie kamen zu spät. Ihre Freunde waren zu allem bereit gewesen, aber sie wollte es nicht zugeben. Sie wollte nur, dass der Schmerz aufhörte, dass ihr jemand ihre Schwester zurückgab, nur das, so unmöglich es auch war.
Sie weinte, bis sie nicht mehr konnte, bis keine Tränen mehr kamen, und er weinte mit ihr, dort im Dunkeln. Schließlich wurde Linn ruhiger und fühlte sich alt und schwer, als hätte sie seit Jahrhunderten nichts anderes getan, als zu weinen. Vor der Höhle rieb sie sich das Gesicht mit Schnee ab.
» Wenn ein toter ValaNaik hier irgendwo läge, müsste Ojia Ban ihn spüren«, sagte sie schließlich. Sie wunderte sich darüber, dass es möglich war weiterzumachen, so zu tun, als gäbe es Probleme und Rätsel, die gelöst werden mussten, und vorzugeben, sie seien in der Lage dazu.
» Chamija könnte Schutzzauber verwandt haben. Es gibt auch welche, die nicht mit dem Tod des Magiers enden. War nicht das Schloss von Lanhannat mit solchen Zaubern geschützt?«
» Dann hätte sie einen Drachenkadaver verborgen? Ein toter ValaNaik als Quelle ihrer Macht? Warum hätte sie dann so hinter der grünen Schuppe her sein sollen, wenn sie einen ganzen ValaNaik zur Verfügung gehabt hätte? Das überzeugt mich nicht. Laran ist nicht hier, sonst hätte Chamija das gewusst.«
» Gah Ran wollte uns retten«, sagte Nival. » Deshalb hat er sich diese Geschichte ausgedacht. Er hoffte, Scharech-Par würde ihn mit uns auf die Suche gehen lassen.«
» Gah Ran ist ein Verräter«, meinte sie bitter.
» Nicht unbedingt. Er hat immerhin verhindert, dass der Tyrann uns sofort umbringt.«
» Und Binia? Warum hat er nicht gekämpft, für uns und für sie? Warum hat er …« Hatte sie nicht schon genug geweint? Woher dann diese neuen verzweifelten Tränen?
Weil er keine Chance hatte. Sie wartete darauf, ihn das sagen zu hören, doch Nival tat ihr den Gefallen nicht.
» Er hätte Binia ergreifen und mit ihr davonfliegen können. Warum hat er es nicht getan? Warum wollte er es nicht wenigstens versuchen?«
» Ich weiß es nicht«, gab Nival zu. » Aber der Gah Ran, den ich kenne, verdient es, dass man ihn fragt, statt ihn vorschnell zu verurteilen.«
Linn schluckte alle Widerworte hinunter. Sie hätte sich
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