Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
er es auf den Tisch legen musste. Doch leider hatte der Zauber nicht bewirkt, dass er nun alle Sprachen und Schriften verstand. Die Buchstaben blieben geheimnisvolle Zeichen, deren Bedeutung sich ihm nicht erschloss. Dafür enthielt das Werk hübsche Zeichnungen von Blättern und Blüten, von Wurzeln und merkwürdigen Gebilden.
» Das ist großartig! Jetzt brauche ich nur noch etwas zum Schreiben – ein bisschen Kohle müsste doch gehen? Dann werde ich notieren, was ich selbst herausgefunden habe.«
» Wie denn? Wo Ihr gar nicht schreiben könnt?«, fragte Kesim skeptisch.
» Ich denke mir einfach ein paar Zeichen aus«, meinte Rinek munter. » Wenn nur ich sie lesen kann, was macht das schon? Außer mir interessiert sich niemand für diese Dinge. Danke, mein bester Kesim!« Er versetzte dem älteren Mann einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter. » Oh, tut mir leid, ich wollte nicht …«
» Ist schon gut.« Kesim, der gegen den Türpfosten geprallt war, rappelte sich ächzend auf. » Eure Begeisterung in Ehren, aber wie wollt Ihr verhindern, dass Ihr Euch vergiftet? Ihr könnt doch nicht einfach alles probieren!«
» Warum nicht? Sehr kleine Mengen werden mich schon nicht umbringen. Es gibt tausend Möglichkeiten, die Kräuter zu kombinieren … Ich werde Jahre brauchen, um das alles zu erforschen! Zu dumm, dass wir Chamija gemeuchelt haben, bevor wir mehr über ihre Geheimnisse herausgefunden hatten.« Bedauernd biss er sich auf die Lippen. » Dass wir uns im Krieg befinden, ist ungünstig. Was, wenn die Tijoaner dieses Haus abfackeln? Wir müssen das Labor ins Labyrinth umsiedeln. Oder werden die Schutzzauber halten? Selbst dann kann das Gebäude versehentlich getroffen werden. O Arajas, was tue ich? Wo fange ich an? Vielleicht finde ich etwas, um den König wieder sichtbar zu machen! Es brennt nicht, versteht Ihr? Diese Art von Zauberei schwächt nicht und verbrennt einen nicht von innen heraus – es ist nicht die eigene Kraft, die dabei verzehrt wird!«
» Äh – ja«, meinte Kesim und lächelte hilflos.
Als Rinek wenig später das Haus verließ, ging er beschwingt und schnell, blind und taub für den Frühling um sich her, denn in seiner Nase war immer noch der Geruch von frischem, salzigem Seewind, in seinen Ohren donnerte die Brandung.
Seine gute Laune hielt an, bis er sich im Schutz der Dunkelheit aus der Stadt geschlichen hatte – dass dabei ein paar tijoanische Soldaten zu Schaden kamen, war durchaus Absicht – und ins Labyrinth hinunterstieg. Eine kleine Feier war im Gange, wie die Musik bewies, die ihn durch die Tunnel anwehte. Rinek trat in die große Höhle rings um den unterirdischen See und stellte fest, dass er nicht der Einzige war, der den heutigen Tag als Erfolg betrachtete. Trotzdem wunderte er sich. Ein paar Mädchen tanzten. Rinek setzte sich neben Okanion, der das Treiben mit ernstem Gesicht beobachtete.
» Wofür ist das?«, fragte er. » Habe ich irgendeinen großen Sieg verpasst?«
» Wir müssen selbst die kleinsten Siege feiern. Ein bisschen Ermutigung zwischendurch ist manchmal nötig«, sagte der Hauptmann. » Die Leute brauchen das. Sie sind keine Krieger, die darauf trainiert sind, mit Rückschlägen fertig zu werden. Die meisten sind einfache Menschen, die in ihr normales Leben zurückkehren möchten.«
» Ihr lasst sie trinken?« Rinek wies auf eine Gruppe ehemaliger Diebinnen, die einander zuprosteten und in lautes Gelächter ausbrachen, als einer der Männer etwas zu ihnen sagte. » Was, wenn wir angegriffen werden?«
» Das kommt noch«, sagte Okanion leise. » Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass ein großes Heer aus Tijoa zu uns unterwegs ist. Scharech-Par riskiert nicht, die Soldaten, die er hat, hier herunterzuschicken. Er wartet ab. Warum auch nicht? Er kann es sich leisten zu warten.«
Die Euphorie verflog sofort. » Es stimmt also? Die tausend Mann, von denen die Leute in der Stadt sprechen, kommen her?« Damit hatte Kesim recht gehabt. Alle wussten es. » Das hier ist … ein Abschied? Bevor die letzte Schlacht beginnt, die wir nicht gewinnen können?«
» So in der Art.« Okanion nickte, seine Augen blickten düster. » Wir werden untergehen. Ich würde jeden wegschicken, der sich auf den Beinen halten kann, aber wohin? Die Drachen fliegen über allen Straßen, sie werden niemanden durchlassen.«
» Wir könnten uns in der Stadt verstecken.«
Das narbige Gesicht des Ritters war eine Warnung an alle, sich nicht mit den Drachen
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