Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
Es braucht die Nähe des Feuers, um wirksam zu sein. Ich habe es schon vor längerer Zeit hergestellt, weil ich von einer neuen Art von Waffe geträumt habe.« Mora betrachtete ihn nachdenklich, und zum ersten Mal seit langem lächelte sie wieder. » Ihr habt keine Ahnung, wozu Magie alles fähig ist. Ich habe Gemüse in meiner Küche tanzen lassen, und vor meinen Augen schlugen Blätter und Blüten aus trockenen Zweigen. Ich habe meine Küchenschürze in einen Prügel verwandelt, der stets zu mir zurückkehrt. Unsichtbar zu sein ist schon unfassbar genug … und es ist noch so viel mehr möglich, Dinge, die keiner von uns je erleben wird … aber manches vielleicht doch. Setzt Euch hierhin.« Sie schob ihm einen Stuhl hin, rückte einen Hocker daneben. » Legt Euer Bein dort ab.«
Rinek gehorchte schweigend. Er hatte keine Ahnung, was sie vorhatte, und plötzlich durchzuckte ihn die Hoffnung, sie könnte dafür sorgen, dass sein Stumpf nie wieder schmerzte.
Mora kümmerte sich jedoch nicht um den lebenden Teil seines Beins. Sie öffnete das kleine Töpfchen und ließ den Inhalt, eine zähe, honigartige Masse, auf sein Holzbein tropfen, auf diesen Stock, der dort begann, wo sein Knie hätte sein sollen. Die Zauberin murmelte etwas, das heiser klang wie das Fauchen eines Drachen und in seinen Ohren ein merkwürdig brennendes Gefühl hinterließ.
Gespannt schaute er auf sein Holzbein, konnte aber keinen Unterschied feststellen.
» Ähm – was genau habt Ihr getan, Frau Mora? Habt Ihr versucht, es in ein richtiges Bein zu verwandeln?«
» Das geht nicht«, sagte sie leise, » nicht so, wie Ihr denkt. Ich kann Euch keine neuen Gliedmaßen wachsen lassen. Aber immerhin … Bewegt Eure Zehen, wackelt damit.«
» Mit welchen Zehen?«, fragte Rinek trocken und versuchte sich vorzustellen, sie wären noch da. Wie es sich anfühlen würde, sie zu benutzen, den Fuß zu drehen, die Kraft der Muskeln zu spüren.
Erschrocken stieß er einen Schrei aus, als am unteren Ende des geschnitzten Stocks etwas wie eine krallenähnliche Wurzel ausfuhr und die Bewegungen ausführte.
» Steht auf«, sagte Mora. » Langsam. Es wird vielleicht nicht sofort klappen.«
Er stürzte fast nach vorne und musste sich am Tisch abstützen, aber er lachte. » Das ist ja unglaublich.« Seine neuen Zehen – lange Wurzeln – kratzten über den Fußboden. Er starrte auf sein verlorenes Kniegelenk. Die Anschnallvorrichtung war verschwunden, stattdessen schien das Holz in seinen Oberschenkel hineinzuwachsen. Schlingpflanzen wucherten um seine Haut herum.
» Ein Teil von Euch«, sagte sie. » Das sollte Euch die Kraft und die Schnelligkeit verleihen, die Ihr so dringend braucht. Aber es ist nicht aus Fleisch und Blut. Es ist und bleibt ein Holzbein, und in ihm steckt der Baum, der es einmal war.«
Mit Entzücken betrachtete Rinek den ungewöhnlichen neuen Fuß, der eher an eine hölzerne Klaue erinnerte als an ein menschliches Körperteil. Er ließ sich mühelos bewegen.
» Verkraftet Ihr das?«, fragte die Zauberin besorgt.
» Oh ja, das tue ich«, versicherte er, auf einmal von der Angst gepackt, sie könnte ihm dieses Geschenk wieder wegnehmen.
Vorsichtig stakste er durch den Raum. Seine Hand vermisste die Krücke, fühlte sich verwaist ohne sie. Mehrmals stürzte er fast, hielt sich an Wänden und Stuhllehnen fest, dann griff er nach Mora und tanzte mit ihr durch die Küche.
» Gemach, gemach, junger Mann!«, schimpfte sie.
» Ihr seid wundervoll!« Er drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
Gerührt wischte sie sich über die Augen.
» Das ist mehr als dieser Drachenstaub, den wir für Caness verwenden, stimmt’s? Was enthält Euer Wundermittelchen? Drachenschuppen, Hörner?«
» Herz«, antwortete sie ehrfürchtig. » Ich habe einmal eine winzige Menge davon kaufen können, aber es reicht aus, wie man sieht. Das Pulver hat den Brand meines ersten Hauses überstanden, durch Hitze scheint seine Kraft sogar größer zu werden.«
» Was könnte man damit alles machen!«
» In dieser Stadt? Kaum etwas, denn diese Art von Zauber lässt sich schlecht verheimlichen. Wenn Ihr unsichtbar seid, ist es eine Sache. Doch wenn Ihr sichtbar seid für andere Menschen, müsst Ihr den Fuß einziehen – das könnt Ihr doch? Sonst erkennt man sofort die Magie, und Ihr würdet im Verlies landen. Ich fürchte also, Ihr werdet die Krücke behalten müssen.«
Daran hatte er noch gar nicht gedacht. » Könnte ich nicht einen Schuh darüberziehen?«
»
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