Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
Drache gegen Drache aufzuhetzen und sich einen Thron aus den Trümmern unserer Existenz aufzubauen? Chamija, Bor Chains Frau.«
Linn schwirrte der Kopf. » Du hättest es mir sagen müssen!«
» Gar nichts muss ich«, versetzte der Drache. » Im Vergleich zu mir bist du so jung wie ein frischgeschlüpftes Entenküken. Wir, die wir überlebt haben, träumen von den alten Zeiten – wie könnte ich erwarten, dass du das verstehst? Dass du es nicht fürchtest? Ungeheuer sind das eine, aber Menschen, die jederzeit die Gestalt eines Untiers annehmen können? Gib es zu, das ist auch für dich ein bisschen zu viel.«
Linn wollte ihm widersprechen, aber sie fand keine Worte.
Laran, der Held. Brahans Sohn. Der, den ihr Volk seit vielen hundert Jahren verehrte und seine Rückkehr beschwor – ein Drache?
» Es gibt also keine Drachen mehr in Menschengestalt«, sagte sie. » Aus diesem Grund wusstest du, dass Scharech-Par lügt. Er kann nicht Larans Erbe sein, denn dann wäre auch er ein Drache, oder?«
» So ist es. Außerdem ist er ein Zauberer, und Drachen zaubern nicht. Wir konnten es noch nie, in keiner Gestalt. Dass wir zwischen unseren beiden Formen hin und her wechseln konnten, das war unser Zauber. Unsere Magie hat uns nie zu etwas anderem befähigt, als ein Leben zu leben, wie wir es wollten – mit allen Möglichkeiten des Seins.«
Linn fand Nival im Schnee. Wie ein eingeschneiter Stein saß er da, von Kopf bis Fuß weiß, und rührte sich nicht. Seine Lippen waren blau, kleine Eiszapfen schmückten die Haarsträhnen, die aus seiner Pelzmütze heraushingen.
» Nival, bist du verrückt? Komm mit!«
Er wehrte sich nicht, als sie ihn hochzerrte und zu Gah Rans warmem Leib schleppte. Zum ersten Mal konnte sie den brennenden Blick des Drachen deuten.
Er ist tatsächlich eifersüchtig, dachte sie plötzlich. Nicht auf unsere Freundschaft, sondern auf unser Menschsein. Deshalb kann er es kaum ertragen, wenn wir uns in den Dörfern unter Menschen aufhalten – er möchte dabei sein. Er möchte mit uns am Tisch sitzen und auch aus einem Becher trinken.
Ein solches Mitleid überfiel sie, dass sie für einen Moment davon überwältigt wurde. » Wie hast du ausgesehen?«, fragte sie. » Als Mensch, meine ich.«
» Musst du noch in den Wunden herumstochern?«, fuhr Gah Ran sie an.
Danach herrschte Schweigen zwischen ihnen. Lange Zeit. Es hörte auf zu schneien, und die Sterne wurden sichtbar. Nival hockte neben dem Drachen, die Knie umschlungen und das Kinn aufgestützt, in seinen eigenen Gedanken gefangen. Sie hatte ihn in ein Leben gezwungen, in dem er niemals vollständig sein würde. Er würde immer so sein wie Gah Ran – jemand mit einer Wunde.
Sie konnte die Gegenwart des mächtigen Drachen spüren, seine Herrlichkeit, die jener der Sterne nur wenig nachstand. Das hieß, dass ihre Magie noch nicht ganz erloschen war.
Es gab nur eine Möglichkeit. Sie war bereit dazu. Willig, die Konsequenzen zu tragen.
Immer noch befand sich Drachenstaub an ihren Händen, unter ihren Fingernägeln, am Drachen und auch an Nival.
» Jagian.«
Der Schlafzauber wirkte an beiden. Sofort. Gah Ran hatte keine Gelegenheit, sich dagegen zu wehren, als der schwere, dunkle Zauber über ihn kam, dieser Zauber, aus dem keiner von ihnen so schnell erwachen würde, weder der Drache noch der Mann.
Der nächste Schritt war vielleicht der schlimmste. Linn packte ihr Messer und trat an das halb geöffnete Maul des schlafenden Drachen. Obwohl sie nur ein winziges Stück seiner Zunge brauchte, würde seine Wut – da machte sie sich nichts vor – grenzenlos sein. Er hatte ihr angedroht, sie zu töten, wenn sie ihre Macht noch einmal gegen ihn einsetzte, und Linn zweifelte nicht daran, dass sie hiermit die Grenze dessen, was er ertragen konnte, mehr als überschritt.
Ein Zauberer konnte Gegenständen eine Bestimmung geben, nichts Neues schaffen. Nival hatte akzeptiert, dass sie ihn nicht vollständig heilen konnte, er hatte nie darum gebettelt, dass sie es doch irgendwie versuchen sollte. Ob wohl schon mal irgendjemand vor ihr den Heilzauber auf diese Weise eingesetzt hatte?
Sie legte dem jungen Mann das Stück Drachenzunge in den Mund und gab ihm seine Bestimmung.
» Wintika.« Heilen. Ganz machen. Vervollständigen. So hatte ihr Nat Kyah dieses Wort übersetzt. In ihrem eigenen Mund brannte der Zauber stärker als je zuvor.
Dann herrschte Stille. Es war, als hätte sie ihre Kette angelegt – die Welt veränderte sich. Der Drache
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