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Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3

Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3

Titel: Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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fremdartigen Tönen. Zuerst schien es eine Klage zu sein, dann jubelte das Lied wie ein Vogel im Frühling. Linn hatte ein paar Nächte lang gelauscht, ohne sich zu rühren, doch diesmal hielt sie es wieder nicht im Bett aus. Sie schlich über den Gang zu einer der verzauberten Türen, die unter der Berührung ihrer Hand leicht vibrierte. Offenbar hatte Wea den Schutzbann verstärkt, aber der Zauber ließ Linn durch. Durch die Kuppel fiel Mondlicht in den Schacht. Ihr war, als wäre da eine Bewegung, irgendwo gegenüber. Etwas Dunkles, Schnelles huschte auf der anderen Seite über das Geländer.
    » Warum singst du?«, rief sie leise. » Dieses Schloss ist ein Ort der Schmerzen, weißt du das nicht? Sie werfen die kranken Näherinnen dort runter, ins kalte Wasser, und sie werden hinaus ins Meer getragen. Andere treten an ihre Stelle.« Immer noch konnte sie nicht fassen, was sie vor ein paar Tagen mit eigenen Augen gesehen hatte. Das Grauen hielt ihr Herz mit eiskalten Klauen gepackt. Eine Weile war es ihr vorgekommen, als könnte es nicht schaden, Scharech-Par zu dienen, als sei jeder besser als Chamija, aber mittlerweile wurde sie von Abscheu geschüttelt, wenn sie auch nur in seine Nähe kam. » Hier gibt es nichts zu singen«, sagte sie und kämpfte gegen die Tränen an, » überhaupt nichts.«
    » Sing den Sieg, bevor er da ist. Preise den Tag, bevor er anbricht.« Die Stimme wisperte ihr die Worte ins Ohr. Linn unterdrückte einen Aufschrei. Neben ihr auf dem Geländer saß eine dunkle Gestalt. Im weißen Licht des Mondes schimmerte helles Haar, aber über dem Gesicht lag ein Schatten. Ihr Herz machte einen Sprung.
    » Lass mich singen. Ich habe lange genug geschwiegen.«
    » Du kannst es nicht sein«, flüsterte sie.
    Er streckte die Hand aus, und sie legte ihre hinein. Leichtfüßig sprang er von der Brüstung.
    » Warum kann ich es nicht sein?«
    » Aber du … der Weg ist so weit … und ihr seid unterwegs nach Steinhag.«
    » Wege sind nicht weit«, widersprach er. » Der Himmel ist weit und das Meer, aber Wege? Sie sind immer nur eine Handbreit Erde unter unseren Füßen. Ich bin mit den Flügeln eines Drachen hergekommen, so wie du.«
    Sie hielt seine Hand fest. » Gah Ran ist auch hier?«
    » Dachtest du, wir lassen dich im Stich? Dachtest du, du könntest eine Galionsfigur werden am Bug unseres Feindes, ohne dass wir ihm den Wind aus den Segeln nehmen?«
    Unvermittelt begann Linn zu weinen. Es brach aus ihr heraus, ohne dass sie dagegen ankam. Er legte die Arme um sie, und sie klammerte sich an ihn. Sein Gewand roch nach Meer und Holz und Schnee, aber es war weder der Mantel vom Bergvolk noch die wollene Tunika, die er darunter getragen hatte, sondern feine, fließende Seide.
    » Woher hast du das?«, schniefte sie.
    » Von den Näherinnen«, flüsterte er. » Seltsame Gewänder stellen sie her, aus reinster tijoanischer Seide, Stille und dem Rauschen des Meeres. Sie nähen mit blutigen Nadeln. Weine nicht, meine Liebe. In diesem Palast werden schon genug Tränen vergossen.«
    Sie berührte sein Gesicht. Seine Wangen, seinen Mund.
    » Nival«, flüsterte sie, diesen Namen, den sie hatte vergessen wollen. Sie hatte ihn abgelegt wie einen Schatz, der zu schwer war, um ihn mitzunehmen, doch hier war er wieder. » Verzeih mir.«
    » Was soll ich dir verzeihen, Drachenmaid? Dass du bereit warst, meinetwegen mit Gah Ran Krieg zu führen?«
    » Alles«, schluchzte sie. » Ich war so gemein zu dir.«
    » Das war gestern. Es ist geheilt. Du hast alles geheilt, weißt du das denn nicht? Den Jungen, der sich im Labyrinth gefürchtet hat, der dem König Rache geschworen hat, den gibt es nicht mehr. Man kann jemanden nicht so lange und intensiv heilen, ohne die Wunden zu schließen. Mein Lachen war bitter, aber jetzt nicht mehr. Weine nicht.«
    Er küsste ihr die Tränen von den Wangen.
    » Du bist schon seit Tagen hier? Du Schuft!«
    » Es schien dir gut zu gehen. Ich habe mit den Näherinnen gesprochen und …«
    » Komm mit.« Sie zog ihn hinüber in ihr eigenes Zimmer. Hier mussten sie leiser sprechen, aber wenigstens nicht befürchten, dass jemand auf der Galerie auftauchte und sie entdeckte.
    » Es geht mir überhaupt nicht gut!« Wie hatte er das bloß glauben können? Wie hatte er es ausgehalten, hier zu sein, ohne sich ihr zu nähern? Sie jedenfalls hätte das nicht gekonnt. » Was heißt, du hast mit diesen Frauen geredet? Ich habe nichts aus ihnen herausbekommen. Außerdem, warum trägst du eigentlich

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