Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
du eine gelähmte Frau abstechen?«
» Sie ist der Feind.«
Mora blickte ihn zweifelnd an. Die Wahrheit war, er wusste es nicht. Erst einmal musste er an die Tijoanerin herankommen und ihr die Seide überwerfen. Außerdem hatte Mora oft genug darüber gegrübelt, wie man die tausend Banne überwinden sollte, die Chamija mit Sicherheit um sich errichtet hatte.
» Ich muss mich irgendwo verstecken und dann hervorspringen. Sobald ich ihr den Umhang um die Schultern lege, kann sie mir nichts mehr tun. Es ist sicher, versprochen. Der Drache konnte nicht einmal Feuer speien!«
» Ach ja. Dein Drache. Das sagt alles.«
Er hatte ihnen nicht die ganze Geschichte erzählt. Es kam ihm irgendwie nicht recht vor zu verraten, dass sich ein verletzter Drache in den Bergen versteckte, der nicht fliegen konnte – auch wenn nur seine Freunde davon erfuhren. Würde Mora in diesem Drachen nicht eine Quelle besonders mächtiger Schuppen sehen, so wie Chamija? Wenn jemand das Tier fand, war es verloren. Ob Sion überhaupt jagen konnte? Wovon ernährte er sich?
Die Sorgen ließen Rinek keine Ruhe. Bald ertappte er sich dabei, dass seine Gedanken ständig um dieses Untier kreisten, für das er auf einmal verantwortlich war. Vielleicht hätte er lieber beim Spiel verlieren sollen – dann hätte der Drache sich für ihn verantwortlich gefühlt, oder?
» Wo willst du hin?«, fragte Mora scharf, als sie ihn dabei ertappte, wie er ein paar Sachen zusammenpackte, die vielleicht nützlich sein mochten. » Wir sind so dicht davor – vorausgesetzt, dein Zaubergewand hält, was es verspricht. Wir müssen nur den nächsten Angriff abwarten, damit Chamija aus dem Schloss in die Stadt kommt. Du kannst nicht wissen, wann dieser Angriff erfolgt. Bleib hier!«
» Man kann es nicht wissen«, bestätigte er. » Eben. Es kann noch Tage dauern. Soll ich solange hier rumsitzen? Das lag mir noch nie, Mora. Ich werde ein bisschen herumstreunen und … na ja, halt so herumstreunen.«
Sie stöhnte. » Yaro hätte hierbleiben sollen. Auf ihn hättest du vielleicht gehört.«
» Hätte ich das?«
Sie seufzte noch lauter. » Nein, wohl nicht. Bitte, Rinek. Hör auf eine Frau, die deine Mutter sein könnte. Gefährde nicht unseren Sieg, nur weil du nicht warten kannst.«
Sie hatte ja recht – aber hätte er je diese interessanten Dinge herausgefunden, wenn er immer nur dagesessen und abgewartet hätte? Wohl kaum.
Natürlich ging er, während sie ihm laut hinterherschimpfte. Seine Krücke nahm er mit.
Stundenlang marschierte Rinek durch die Hügel. Es schneite unaufhörlich, und bald war sein einziger Schuh durchnässt. Seltsamerweise zögerte er keinen Moment, eine bestimmte Richtung einzuschlagen – ihm war, als wüsste er genau, wo sein Drache zu finden war. Er lief immer schneller, die Ungeduld trieb ihn voran, nein, eine Unruhe, die immer überwältigender wurde. Mora hatte ihm erzählt, dass die Spieler des Hohen Spiels eine magische Bindung eingingen, dass diese Art Duell weitaus mehr war als ein Kampf, bei dem es keine Toten geben durfte, doch sie hatte ihn nicht darauf vorbereitet, dass sich sein Leben von heute auf morgen auf den Kopf stellen würde, dass dieser Drache, den er nur hatte befreien wollen, plötzlich so wichtig für ihn war.
Mit großen Sprüngen hetzte er einen Hang hinauf, kämpfte sich durch ein halb abgebranntes Waldstück und brach durch ein überfrorenes, dorniges Gebüsch auf eine freie Anhöhe, wo eine große silberdunkle Gestalt von einem Rudel Bergbären umkreist wurde. Rinek hatte noch nie so viele auf einmal gesehen. Sie trugen bereits ihr Winterfell, grau und zottig. In der Luft lag der Geruch frischen Blutes.
11
» Linnia?« Seit Linn ihr wegen der Näherinnen Vorhaltungen gemacht hatte, war Wea streng und unnahbar. » Schläfst du immer noch?«
» Ich komme gleich.«
Linn fühlte sich wie betrunken. Sie konnte kaum glauben, dass sie bald mit Scharech-Par und den Drachen nach Schenn fliegen würde – um Chamija die Kette zu stehlen, wie der König dachte. Um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zwei Feinde auf einen Streich zu erledigen. Das Grauen mit dem Grauen zu bekämpfen, zwei Zauberer zu vernichten. Und danach mit dem Küssen weiterzumachen.
» Beeil dich«, befahl die Zauberin schroff. » Der König erwartet dich zum Frühstück an seiner Tafel.«
Linn kroch zurück unter die Decke.
» Du schaffst das«, flüsterte Nival und hauchte einen letzten Kuss auf ihre Lippen. Aber sie wollte nicht,
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