Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
zerrissenen Gewand, das immer noch nach Asche stank. Unrasiert und mit wirrem Haar hätte er ein Strauchdieb sein können, statt der Erbe des Heiligen Brahan. » Wurdest du auch gefangen genommen?«
Sie wunderte sich über die Aufregung, die Freude in seiner Stimme. Hatte er alles vergessen? Den Schmerz und den Hass und ihre letzte Begegnung, als er ihr Jikesch verkauft hatte?
» Du wagst es, mit mir zu sprechen? Du wagst es?«, rief sie, überrumpelt und mitgerissen von ihren Gefühlen, die wie ein Sturzbach über sie kamen. » Du elender Mistkerl. Oh, Schande über dich! Lügner!« Sie wischte sich über die Wangen und fragte sich, warum sie eigentlich weinte oder warum sie Arian anschrie. Damit Nival merkte, dass sie sich nicht darüber freute, den Prinzen zu sehen? Dass es für sie ebenso unerträglich war wie für ihn? Weil sie Arian nun mit seinen Augen sah? Nein, weil sie kaum imstande war, den Gefangenen wahrzunehmen, weil sich immer ein anderes Bild dazwischenschob.
Jikesch, blutend, in ein Netz gehüllt im Staub der Straße … Entscheide dich schnell, solange noch etwas von ihm übrig ist, das du kaufen kannst. Der Preis sinkt mit jeder Minute, bald kannst du die Leiche umsonst haben …
» Linnia!« Der Prinz wollte die Finger um die Stäbe legen und zuckte mit einem Schmerzensschrei zurück. » Sie hat irgendetwas damit gemacht, die Zauberin. Sie hasst mich, weil wir Khanat angegriffen haben.« Dann schien ihm einzufallen, dass auch sie eine Zauberin war. Er senkte die Stimme. » Linnia, bitte. Hilf mir. Sag dem Kerl da, er soll mir endlich mein Essen geben. Ich krieg es kaum runter, und er macht es nur noch schlimmer. Sie tun bittere Kräuter oder so etwas da rein, damit es mir nicht schmeckt. Das machen sie absichtlich. Meine Decke kratzt, in meiner Matratze sind Dornen, und die ganze Nacht hat mir jemand ins Ohr gehustet. Sogar das Wasser, das sie mir geben, schmeckt abscheulich. He, du! Jetzt reicht es aber, gib mir endlich den Teller!«
Linn kniete sich neben Nival. Er schien gar nicht zu merken, dass er noch immer rührte. Sein Blick war verhangen, als wäre er weit fort.
» Nival«, sagte sie leise. » Bitte, sieh mich an.«
» Du kennst diesen Kerl? Er hat deine Maske. Deswegen dachte ich mir schon, dass du irgendwo hier bist.«
» Nival.« Sie legte ihre Hände an seine Wangen. Horchte er gerade auf jene andere Stimme, die von Tijoa sang? Auf den Befehl des Drachenkönigs, der alle zu sich rief, mit einer Stimme voller Zauber. Nicht Lonar und nicht Ghenai und auch nicht Samaja, sondern Tijoa. Hier bin ich. Hier ist das Zentrum, hier ist das Herz der Welt. Hier. Bin. Ich.
Sie umfasste seine Finger, zwang ihn stillzuhalten.
» Gib ihm sein Essen. Jetzt. Es ist genug, verstehst du?«
» Ist er beschränkt?«, fragte Arian. » Lassen sie mich von einem Deppen bewachen? Das können wir ausnutzen, meine Liebe. Besorg den Schlüssel und lass uns verschwinden! Zaubere, was auch immer, nur bring mich bitte hier weg!«
Linn nahm Nival den Teller aus den bebenden Händen und reichte ihn durchs Gitter.
» Hier. Sei endlich still. Glaubst du, du hast ein Recht darauf, dass irgendjemand dir hilft?«
Der Prinz tauchte den Löffel in den Brei und spuckte aus. Wutentbrannt schleuderte er den Teller gegen die Stäbe. » Wollt ihr mich vergiften? Wenn ihr mir nichts anderes bringt, esse ich gar nichts!«
» Komm.« Linn zog Nival hoch. Wie einen Schwerkranken führte sie ihn aus dem Raum.
» Das ist so kleinlich!«, schrie Arian. » So niederträchtig, so … krank! Fällt euch nichts Besseres ein, um mich zu ärgern?«
Draußen im Gang atmete Nival tief ein und blieb stehen. Er lehnte sich gegen die Wand und wischte sich über die Stirn.
» Bei Barradas«, flüsterte er.
» Weg da!«, schrie Rinek. Er schwang die Krücke und rannte auf den Kampfplatz zu. Wenn er jemals darüber nachgedacht hätte, ob Bären einem Drachen gefährlich werden können, hätte er lachend verneint. Er hatte jedoch nicht darüber nachgedacht, er war nicht einmal auf die Idee gekommen. Schützte der undurchdringliche Panzer die feuerspeienden Ungeheuer nicht vor allem?
Doch Sion Ran besaß keinen vollständigen Panzer mehr. An seiner Flanke hatte sich ein Bär festgebissen, der Drache schrie vor Schmerzen, während er sich drehte, um das Tier abzuschütteln. Die anderen näherten sich hinter seinem Rücken, einer sprang vorwärts und krallte sich in eine große offene Stelle an Sions Seite.
» Nein!« Hatte er jemals
Weitere Kostenlose Bücher