Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
machen und zu verlängern oder die Erde zu öffnen und Tunnel zu finden?«
» Nur eine kann das, und das ist Chamija selbst. Also, wie war dein Plan, durch das Labyrinth zu gehen?«
» Ich wollte Chamija den Umhang umlegen und sie dann, wenn sie gelähmt und bewegungsunfähig ist, erledigen.«
» Na, herzlichen Glückwunsch«, meinte Sion. » Umhang? Das klingt gut. Ins Schloss gelangen, das hört sich ebenfalls nicht schlecht an. Aber erledigen klingt am allerbesten, wirklich.«
» Warum höre ich da einen leisen Zweifel heraus?«
» Gar nicht.«
» O doch. Heraus mit der Sprache! Was stört dich an diesem Plan?«
» Du bist ein Zauberer«, sagte der Drache. » Trotzdem vermeidest du die wichtigen Wörter. Du kennst mittlerweile ihre Macht, nicht wahr? Nicht nur die unserer Sprache, sondern auch die eurer eigenen. Erledigen. Ein Ende machen. Du umschreibst die Wahrheit mit Ersatzwörtern, die lässig klingen sollen, aber was steckt wirklich dahinter, Rinek Lester? Kannst du es nicht aussprechen: Ihr die Klinge ins Herz bohren – denn das ist der einzige Weg, sie zu töten? Sie umbringen. Sie töten. Sie ermorden. Ah, ich sehe es in deinem Gesicht, das behagt dir schon weniger. Kannst du es? Dein hübsches Messer nehmen, mit dem du meine Stricke zerteilt hast, und es ihr in die Brust stoßen?«
» Du hast recht«, gab Rinek zu. » Es ist mir kaum möglich, es auszusprechen. Aber ich gehöre nicht zu denen, die mehr reden als handeln. Vielleicht wirst du überrascht sein … möglicherweise werde ich selbst überrascht sein. Es wird schwer, da mache ich mir nichts vor. Wer wäre ich, wenn ich es so leicht könnte?«
Seine Schritte waren beschwingt, als er in die Stadt zurückkehrte. Die Tat, die ihm bevorstand, hätte ihn ernst machen sollen, lähmen, aber er fühlte mittlerweile eine Ungeduld in sich brennen, die es ihm wünschenswert erscheinen ließ, sofort loszustürmen und es hinter sich zu bringen.
Genau das würde er tun. Er brauchte nur noch den Mantel aus Drachenseide.
Agga starrte ihn an mit großen Augen, ihr Gesicht weiß.
» Willst du mir wieder vorwerfen, dass ich mich mit einer Frau getroffen habe?«, fragte er gut gelaunt, während er sich den Schnee vom Schuh bürstete.
» Der Umhang«, stammelte sie. » Der Umhang aus Drachenseide.«
» Ja«, sagte er, » was ist damit?«
Hinter dem Mädchen erschien Mora, auch sie blickte ihn an, als wollte sie ihm gleich mitteilen, dass jemand gestorben war. Einen Augenblick lang fürchtete er, es könnte Kasidov sein.
» Er ist weg. Jemand hat ihn gestohlen«, sagte Agga kleinlaut.
» Was?«
Mora trat näher. » Das ist noch nicht mal das Schlimmste. Es muss Chamija gewesen sein, Rinek. Nur ein Zauberer konnte den Bann aufheben, der um dieses Haus liegt. Sie beobachtet uns. Sie weiß alles. Und nun feiert sie ihren Sieg: Sie lässt sich krönen. Morgen. Morgen lässt sie sich die Krone von Schenn aufs Haupt setzen. Sie wird Königin von ganz Schenn, von Honau, Inidria und Nelcken.«
» Aber …«, stammelte er. » Das … geht nicht. Die Fürsten würden sie niemals krönen! Sie müsste sich die Krone selbst aufsetzen, und das gilt nicht.«
» Sie werden es tun. Es sind noch ein paar übrig, und die werden es tun. Chamija muss einen Bann über sie gelegt haben. Wer kann sich ihr schon widersetzen?« Mora wankte, und Agga musste sie rasch stützen. Aus der vorhin noch so tatkräftigen Zauberin war eine uralte Frau geworden. » Niemand«, flüsterte sie, » absolut niemand.«
» Wunderbar«, meinte Scharech-Par. » Das ist genau die Gelegenheit, auf die wir gewartet haben.«
Linn, die zu einer wichtigen Besprechung gerufen worden war, setzte sich folgsam auf einen der mit Fell bezogenen Hocker.
» Schön, dass Ihr da seid, Linnia«, sagte der Zauberer. » Chamijas Krönung steht unmittelbar bevor. Morgen. Wir müssen sofort losfliegen, um pünktlich da zu sein. Das ist die Gelegenheit. Um anerkannt zu werden, muss sie sich an die Traditionen halten, und dazu gehört unabänderlich der Ritt durch die Stadt. Sie wird das Schloss also verlassen müssen. Wir werden da sein. Sie in Feuer tauchen. Ihr die Kette abnehmen. Die kürzeste Amtszeit, die es je in Schenn gegeben hat. Na, wie klingt das? Morgen schon kann der Krieg vorbei sein. Das lange Warten. Morgen kann sich die Welt verändern und wir alle mit ihr.«
» Morgen«, wiederholte Linn tonlos. » Aber wie … und woher wisst Ihr das?«
Wea lachte leise. » Die vielen Mosaike im Schloss.
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